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88. WASSERMELONEN UND HOLLANDTOMATEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. August 2020

Schweine müssen schwimmen lernen, damit in Belgienland die Wassermelonen und die Hollandtomaten nicht aussterben.

So sprechen wir. Durch das Exaltierte unserer Prinzipien fallen wir den Königen sehr unangenehm auf.

Wir erklären ihnen noch, keinen anderen Umgang mehr mit ihnen pflegen zu wollen als über die Polizei und fordern gleichzeitig das Einschreiten der Regierung in alle Angelegenheiten, die täglichen Schwierigkeiten mit der Ehefrau und der Nachbarin nicht ausgenommen.

Wenn auch das nichts bewirkt, wandern wir nach Usbekistan aus. An Gepäck nehmen wir so wenig wie möglich mit, bloß zwei paar Pistolen, eine Vorteilspackung Kondome und einige andere Kleinigkeiten. Sollen diese Könige doch sehen, wie sie mit den von uns zurückgelassenen Problemgegenständen fertigwerden.

87. SOMMERTAG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 17. August 2020


An einem schönen Sommertag im Jahre unseres Herrn Jesus Christus 2020 betreten wir – großflächig untättowiert und die  abstehenden Körperteile völlig unberingt – den freien Boden der städtischen Badeanstallt und spüren die Blicke der Badegäste als zehrendes Feuer im Rücken.

Sofort fühlen wir uns heimisch an diesem Ort und wollen uns dort jetzt häufiger der allgemeinen schweigenden Betrachtung überlassen.

86. LEERER GELDSACK

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. August 2020

Unser leerer Geldsack ist ganz empfänglich für Banknoten aller Art – sei es auch die Türkische Lira.

Und er lässt sich aufgrund unseres aufwendigen Lebensstils nicht vom Gegenteil seiner Einstellung überzeugen.

Warum muss dann auch dieser blöde Onkel aus Amerika uns den großen erblichen Erfolg verwehren, indem er sich  in seinen letzten Stunden entschied, testamentarisch wortbrüchig von uns abzufallen?

Wir sehen es schon kommen: zwecks Beschneidung der Ausgaben wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als den jährlichen Weihnachtsbaum durch  heimliches Kappen auf dem Friedhof unseres Nachbardorfes zu beschaffen.

85. JUNGKATASTROPHALMANAGER

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 10. August 2020

Als angehender Jungkatastrophalmanager war es unser Traum, beim BER-Flughafenbauprojekt auch mal so richtig mitwüten zu können.

Leider sind wir nun etwas zu spät gekommen. Haben uns jetzt bei der Bahn beworben. Sieht ganz gut aus.

84. BIO-DOPPELWANDVEGANPAPPBECHER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. August 2020

Und es hätte so ein herrlicher Sommer werden können …

Mit einem braunen Bio-Doppelwandveganpappbecher Coffee To Go in der einen und dem Handy in der anderen Hand haben wir gerade Starbucks verlassen und streunen jetzt abenteuerlich beschwingt durch die sonnigen Straßen der großen Stadt.

Und dann ein winziger Moment von Unkonzentriertheit. Da schlucken wir schon das Handy herunter und verbrühen uns wenig später beim Whatsappen die Fingerkuppen am heißen Kaffee.

Ehrlich: Coffee To Go von Starbucks – und überhaupt … das ist doch nichts.

83. ERÖRTERUNG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 3. August 2020

Wir finden es nicht leicht, eine ernsthafte Erörterung mit unseren komischen Artgenossen zu pflegen.

Insbesondere, wenn diese nicht unserer Meinung sind.

82. BITTERLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Juli 2020

Der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich möchte sein bisher ausschließlich für interne Repräsentationszwecke genutztes Dienstfahrzeug der abgehobenen Mittelklasse jetzt auch nach außen für den Nutzen des Weltkonzerns einsetzen.

Leider zeigt sich das Kundenvolk wenig kooperativ diesem Bestreben des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich zu entsprechen.

Bei den Terminierungsversuchen der Sekretärin fällt es durch auffälliges Ausweich-, ja sogar Ignoranzverhalten, auf. Bei unangemeldeten Vorfahrversuchen zeigen sich die außenweltlichen Pförtner äußert unwillig und zum Teil rabiat.

Auf der Rückfahrt zur Zentrale seines Weltkonzerns weint der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich bei Tempo 200 bitterlich. Schritt für Schritt muss er in seinen Hoffnungen zurückweichen und sich künftig wieder tagtäglich mit dem negativen ROI und den ausgereizten  Kostensenkungspotentialen auseinandersetzen.

81. TROTTEL

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 27. Juli 2020

Wir haben uns unser Leben lang als Trottel maskiert. Mit unseren 92 Jahren merken wir, dass wir tatsächlich trottelig zu werden beginnen.

Unsere Fähigkeit zur Selbsterziehung ist phänomenal. Das muss man schon sagen.

80. IN DIE HAUSBIOMÜLLTONNE GEKOTZT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. Juli 2020

Wir sind kritische Journalisten.

Nach einem kritischen Kneipenabend haben wir in die Biomülltonne unserer Hausgemeinschaft gekotzt.

Der Hausmeister ist hinter uns her. Er hat‘s gesehen, da ist er gleich in Jogginghose, Unterhemd und Badelatschen los, uns totzuschlagen.

 „Uns!“, rufen wir aus. Mehr gibt es heute von uns als kritischen Beitrag nicht. Dafür reichlich Stockschläge auf den kahlen Schädel des sich heranschleichenden Hausmeisters und hinterher reichlich kritische Beiträge von unseren kritischen Journalistenkollegen.

79. RANDEXISTENZ

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 20. Juli 2020

In unserer Lieblingsspelunke trinken wir mit den blonden vollbusigen Rumhängerinnen um die Wette und wiederholen dies so oft, dass wir am Ende immer – eher als sie – den Schlaf mehr als das Trinken brauchen.

Wir werden es wohl nie schaffen, unserer Randexistenz zu einer eigenwilligen Präsenz in der Gefühlswelt dieses merkwürdigen Menschenschlags zu verhelfen.

78. LIEDERSCHATZ

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. Juli 2020

Wir machen uns lustig mit Trinken.

Zwei Volksmusikanten vermehren die Lust.

Sie wirbeln ihren ganzen Liederschatz mit unzähligen Wiederholungen ab,

was von uns mit unzähligen Bierchen gewürdigt wird.

77. PROBLEMGEGENSTAND

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 13. Juli 2020

Kurz vor der Frühverrrentung lodert völlig unerwartet auf einmal die Flamme unseres Arbeitseifers, die in all den früheren Jahren nur durch vereinzelten Fünkchen vertreten war, hoch und breit zu einem Höllenfeuer empor.

Im fortgeschrittenen Alter werden wir nun wohl zum strahlenden, ja glühenden Hoffnungsträger der Rentenanstalt, jedoch noch mehr zum brennenden  Problemgegenstand unseres eigenen Nachdenkens.

76. LANDTIERLEICHENTEILE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. Juli 2020

Des Hungers wegen vertilgen wir in unserer Lieblingsdönerbude gegrillte Landtierleichenteile vom Spieß.

Den Geschmack bei deren Genuss ziehen wir dabei nicht prüfend zu Rate.

Zu unrecht,

wie wenig später die sich in unserem Verdauungssystem einsetzende vibrierende Unordnung zeigt, deren Echo, in Lautstärke ansteigend, in einer schallenden Tonskala herüberpräludiert.

75. TÄGLICH

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 6. Juli 2020

Hallo Ihr lieben Mädchen. Wir können Euch besuchen, wenn Ihr wollt. Vor allem aber täglich.

Wenn möglich natürlich.

74. ALLIGATORENGEWIMMEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 29. Juni 2020

Im Alligatorengewimmel unserer Lieblingsspelunke lernen wir eine erschütternd junge Dame kennen.

Die Unterhaltung geht nicht besonders voran und begrenzt sich überwiegend auf ein verkrampftes Lächeln unsererseits. Sie trinkt wie eine junge Göttin und sieht uns mit unschuldsvoll geweiteten Augen an.

Wir halten es nicht mehr aus und sagen ihr, dass wir uns viel von einem Versenken in die gegnerische Körperlichkeit versprechen.

Es stellt sich heraus, dass man in unserer Lieblingsspelunke überraschend schnell zu einer Freundin, aber noch schneller zu einer Unmenge an blauen Flecken und gebrochenen Nasen, kommen kann. Wie man’s verdient.

73. SCHADE

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 29. Juni 2020

Wer über uns sprechen will, kann dies gerne machen. Aber man braucht sich, bitte schön, nicht über unsere Vergangenheit zu vergewissern. Denn sonst will man womöglich wohl nicht mehr über uns sprechen.

Wäre doch schade für euch.

72. RESTMÜLLEIMER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. Juni 2020

Seit unserer Kindheit sorgen wir uns ernsthaft um das Schicksal der Menschheit.

Eines Tages trifft uns der dumpfe Schlag der Einsicht: wir sollten uns der Untätigkeit entziehen. In uns erwächst der Geist des Managers. Wir wissen jetzt, wie wenig das Wissen angesichts der Tat bedeutet.

Da platzt unerwartet platt und kalt die Frage der Ehefrau herein, warum der Restmülleimer seit 27 Tagen unentleert geblieben ist.

Vorbei die Gesinnung für das Edle und das Rechte. Bald verdichten sich erneut unsere Sorgen. Zur Untätigkeit verurteilt, warten wir auf die unausbleibliche Stunde der nächsten Umwälzung.

71. SYSTEMDRANG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 22. Juni 2020

Wir wollen mit der Freiheit des Ausgleichs und der Anpassung, zu welcher der Systemdrang unseres Lebensstils und insbesondere unser persönliches Bedürfnis nach ungeheuren Geldquellen uns verleiten, die ablehnende Antwort des stellvertretenden Personalleiters auf unsere Frage nach einer Gehaltserhöhung zu uns herüberziehen und sie, so wie man Steine für den Bau behaut, um der Brauchbarkeit willen aus Beweggründen eines höheren Bedürfnisses, bearbeiten. Jedoch zwecklos: alles Schrott, komplett unbrauchbar.

Wird wohl wieder nichts mit der Gehaltserhöhung.

70. LEBENSBUNTE BEWEGTHEIT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. Juni 2020

Lebensbunte Bewegtheit wogt in rasender Flut durch den engen, von dem Schatten unseres alten Baumbestandes verdunkelten, nachbarlichen Garten.

Beunruhigt durch die überhängenden Lebensbaumzweige, macht die Nachbarin ihre Sorgen mit wüstenweitem, lautem Gebrüll kund.

Sie zeigt sich in sprühendester Laune, genau so wie der Zwerg eines Ehemannes neben ihr.

Aus lauter Bösartigkeit beschließen wir, dass unser Fernbleiben noch mehr als unsere Anwesenheit ihren Groll steigern soll.

69. SIE LIEBT UNS

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 15. Juni 2020

In ihrem tiefsten Innern pflichtet das Einkommensteuersachbearbeiterinchen uns schon bei, dass eher wir mit unserer Forderung einer Einkommensteuerrückzahlung als sie mit ihrer Forderung einer Einkommensteuernachzahlung recht haben. Will dennoch alljährlich einen völlig unnützen und langwierigen Disput mit uns entfachen.

Wir glauben, sie liebt uns.

68. INTELLIGENTE VERKEHRSSTEUERUNGSSYSTEME

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 8. Juni 2020

Durch die Telekommunikationsmedien ist die Erde erstaunlich klein geworden.

Nur die endlosen Staus lassen einen berechtigten Zweifel daran zu.

Auch wenn die intelligenten Verkehrssteuerungssysteme sich noch so sehr bemühen.

Schmerzerfüllt lassen wir unsere Autohupe sprechen. „Stop and go!“, ist die Antwort.

67. MAHLSTEINE

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 8. Juni 2020

Döner Kebab komplett , Fritten extra mit Mayo, Currywurst to go, Grillhähnchen auf die Hand, Pizza Funghi XXXL. Und dazu Cola Zero. Wir leben wie Mahlsteine,  sind Männer mit harter Leber.

Noch mehr vertrauen wir darauf, dass die Götter uns wohlgesinnt sind.

66. JETZT SIND WIR MAL DRAN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 1. Juni 2020

Wir haben uns entschieden, eine Beförderung zu wollen. Jetzt sind wir mal dran.

Aber unser Wunsch wird nicht nach Wunsch erfüllt. Der Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme lässt uns umgehend wissen: nein. Ja, und unsere Ambitionen, was soll aus denen werden? Nein, mein sehr verehrter Herr, so leicht können Sie sich nicht unseren Bemühungen entziehen. Zu mindestens dann eine Neuorientierung. Was Internationales wäre nicht schlecht. Und auch wenn es was Operatives wäre, würden wir nicht nein sagen.

Was? Noch nicht mal das! Dann, bitte schön, ein wenig mehr Geld, das könnte nun wirklich auf keinen Fall schaden. Ein dumpfes Brüllen des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich, wie von einem unterweltlichen Ungeheuer, lässt uns aufschrecken. Wir sollen uns auf einen Tritt in den Arsch gefasst machen? Nun gut! Wir haben verstanden. Sehen Sie jetzt selbst, wie Sie künftig ohne uns auskommen. Wir gehen zur Konkurrenz.

Komisch, die Konkurrenz lässt uns umgehend wissen, auch verschont von unseren Ambitionen bleiben so wollen. Ach, so ist das! Egal, dann werden wir eben kritischer Journalist.

65. ENTLADUNGEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 1. Juni 2020

Seit unserer Frühverrentung verlaufen unsere Tage in monotoner, mythischer Einsamkeit und Strenge.

Nur noch am Monatsende, wenn die Betriebsrente sich auf unserem Konto lauthals bemerkbar macht, gestalten sich für einen kurzen Moment unsere lyrischen Entladungen rücksichtlos.

64. DAS HIMMLISCHE PARADIES

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. Mai 2020

Es ist Freitagabend; mit dem motorisch unterdimensionierten Untermittelklassedienstwagen fahren wir unsere müden Knochen von der Arbeit nach Hause.

Auf dem Kampfplatz Autobahn wimmelt es jetzt nur so von den Getunten.

Grinsen sie oder sind es nur die verwünschten Fressen? Die Getunten fahren schnell, viel zu schnell, und die Musikanlage ist laut, viel zu laut.

Unsere hellen eisblauen Augen sehen mit weiter, dunkelnder Pupille in die Ferne. Wir hoffen, dass dort, wo der Autobahntod wohnt, für die Getunten sich bald der Eingang in das himmlische Paradies öffnet.

63. NORMATIVES PHÄNOMEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 25. Mai 2020

Wir sind alte Anti-Ozonlöcher.

Im modernen Anti-CO2-Zeitalter müssen wir unsere Monologe vor dem Rest der Menschheit zunehmend als normatives Phänomen zelebrieren.

62. VERTRAUENSVOLL UND BESCHEIDEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. Mai 2020

Vertrauensvoll und bescheiden teilen wir dem Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme regelmäßig unsere Einsicht, eine substantielle Gehaltserhöhung verdient zu haben, mit und hören dazu nur freundliche und ermutigende Worte.

Als wir neuerdings als peinigendes Mahnmal in Bettlerkleidung erscheinen, entwickelt sich sofort eine gewisse Missstimmung uns gegenüber; freundliche und ermutigende Worte sind nicht mehr zu hören.

Wir bedauern das.

Uns bleibt nur ein Ausweg: der Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme soll abtreten.

61. BEEINDRuCKEND

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 18. Mai 2020

Es ist Wochenende und auf den Berliner Stadtautobahnen gibt es wieder ein tolles Gewühl – getunte BMWs, die einander nur so überjagen. Bis wir in unserem alten Achtzylinder mit dem guten Stern breit auf der linken Spur auftauchen.

Beeindruckend, was das Leben da alles in den fremdländischsten Sprachen schreibt.

60. SCHWER UND UNÜBERSICHTLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. Mai 2020

Wir sind struppig und ruppig und ziemlich ungewaschen.

An unserer Lieblingsdönerbude weht in der milden Abendluft über die Stehtische der zarte Duft eines Vorproduktes für die Biodiesel-Industrie.

Die Gerichte sind schwer und unübersichtlich, dafür scharf. Von der Bedienung, der die Schweißtropfen von der Stirn auf die dampfende Speise fallen, werden die Döner gereicht und von uns mit eiserner Miene vertilgt.

Das lauwarme Bier in der Imbissbude nebenan hat es nicht leicht, unseres unauslöschlichen, durch die Schärfe der so eben vertilgten Speise noch vermehrten Durstes Herr zu werden.

59. SCHWÄCHE

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 11. Mai 2020

Wir sind Wochenendmandelmichsäufer und gleichsam Tomatenpestodauerfresser mit Schwäche für das leichte, vollbusige Geschlecht.

Uns wird vertrauensvoll zugeflüstert, dass wir, den Gipfel des Unheils zu erreichen, nur allzu geeignet zu sein scheinen.

58. ZUFRIEDEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. Mai 2020

In unserer Dorfskneipe gilt Trunkenheit als ehrenhaft.

Dabei befindet sich das Bier in einem sehr unvollkommenen Zustand. Aber dem sei indessen, wie ihm wolle, man braucht das Bier schon genug, um nicht mit seiner derzeitigen Beschaffenheit unzufrieden zu sein.

Meistens gehen wir abends in wenig vorteilhafter Verfassung nach Hause und stehen am nächsten Morgen mit dem Gedanken, man hätte uns umbringen wollen, auf.

Da müssen wir abends in unserer Dorfskneipe wohl wieder flüssigen Trost zu uns nehmen.

57. GRÜNSCHNÄBEL

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 4. Mai 2020

Hallo, Ihr Grünschnäbel. Bald werdet Ihr unsere alten Fähigkeiten kennen lernen.

Noch lieber wären uns aber noch unsere betagten Fäuste.

56. DIE MUSIK DER VOLKSMUSIKANTENTRUPPE TOBT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. April 2020

Die Musik der Volksmusikantentruppe tobt in wüstem, unermüdlichem Einerlei. Gegenwehr ist zwecklos.

Von Strophe zu Strophe lässt die Sängerin mit der immensen blonden Haarpracht, die beim taktmäßigen Schütteln zu einem großen Gewirr zusammenschmilzt, durch ihre Stimmgewalt ihr rhapsodisches Improvisationstalent gesteigerten Ausdruck finden und treibt ihre instrumentellen Mitkämpfer zu immer  schnelleren polyrhythmischen Strukturbrüchen und dynamischen Tonartwechseln an.

Reue hat uns zu diesem Konzert getrieben.

Aber wir wissen jetzt: es war die Suche nach lärmendem Vergessen.

55. RESTMÜLLEIMER

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 27. April 2020

Als Frührentner versuchen wir, unseren Mangel an Kenntnis der Haushaltsführung durch Ergänzungen aus der Phantasie zu überkompensieren.

Erfolglos, wie der überquellende Restmülleimer in der Küche uns tagtäglich belehrend anschreit.

54. MIT SEHR IDEALEN AUGEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. April 2020

Wir, Vorstandsvorsitzende, finden es immer lustig, zu sehen, wie die Untergebenen sich abrackern, schwitzen, mit den Augen rollen und gewaltig tun – wo wir doch ganz genau wissen, dass wir nur einen kleinen Finger rühren müssen, ganz wenig nur, und dann purzelt alles über den Haufen. Zu lustig ist das!

Und dann so was: wir finden heraus, dass diese Untergebenen uns über Jahre schamlos bestohlen haben. Vorbei heile Welt.  Wir stellen sie zur Rede: „Ihr Monster der Unvernunft, Ihr Ungeheuer der Unverlässlichkeit! Wie könnt Ihr es wagen, uns zu bestehlen? “

Uns wird geantwortet: „Wenn es Euch gefällt, sind wir Diebe, und nicht einmal reuig. Wir geben nichts wieder her und auf Eure Wut pfeifen wir. “

Worte wie Keulenschläge, um uns herum alles verwüstet. Wir danken ab. Die Abfindung lässt uns als Privatmenschen aber bald die Welt wieder mit sehr idealen Augen betrachten.

53. GETRÄNKEBESTELLUNG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 20. April 2020

In unserer Lieblingsspelunke werden wir heute Abend unsere Getränkebestellungen durch 1,33  dividieren. Damit wir es zur Abwechselung auch mal nur 3/4 besoffen nach Hause schaffen.

Hoffentlich verkalkulieren wir uns nicht.

52. ÜBERSPANNTES PFLICHTGEFÜHL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. April 2020

Unter Androhung, die Arbeitslosenunterstützung zu streichen, will das Arbeitsamt uns eine Stelle als Geschäftsführer eines Welthandelsunternehmens andrehen.

Höflich, aber bestimmt erklären wir unsere Überlegungen, einen Versuch der Ausführung nicht folgen lassen zu können, weil uns die Zeit dazu fehlt.

Im Übrigen kann man noch so mit Argumenten geladen auf uns herabkommen; wir pflegen, selten aus der Fassung zu geraten, selbst in solchen Situationen, in denen unsere intimsten Feinde glauben, daß es angebracht wäre.

In seinem Elend sieht unser Arbeitsvermittler sich gezwungen, selbst die Stelle wahrzunehmen. Das hat er jetzt davon zu versuchen, sein überspanntes Pflichtgefühl an uns auszulassen.

51. NEUE LEBENSERFAHRUNG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 13. April 2020

Im Laufe der Jahrzehnte lassen wir den Ton unserer Forderung einer Gehaltserhöhung bis zur Drohung anschwellen.

Dass man die Gespräche über eine Gehaltserhöhung auch gleichsam mit geballter Faust und Fußtritten eröffnen kann, stellt für das stellvertretende Personaldirektörchen offensichtlich eine neue Lebenserfahrung da, wie sich uns durch sein wehklagendes Gehabe seit unserer letzten Begegnung offenbart.

50. MÄCHTIGE SCHÄDELDECKEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. April 2020

Auf einer Ponyranchfete machen wir Bekanntschaft mit einigen zweifelhaften aber angenehm anzusehenden blonden Vertreterinnen des vollbusigen Geschlechts.

Wir tragen ihnen ausführlich unsere partikulären Ansichten über die europäische Milchviehwirtschaft und über das Ozonloch über der Meeresenge von Gibraltar vor.

Doch scheinen sie mehr daran interessiert, was wir in unseren Stretchhosen haben, als was wir unter unseren mächtigen Schädeldecken verbergen.

Dabei lassen sie Ausdrücke fallen, die jeder, der sich dafür interessiert, in einem Wörterbuch für urwüchsiges Volkstum nachschlagen möge. Noch am selben Abend entscheiden wir uns, eine Stelle als Seelsorger für pensionierte Fremdenlegionäre antreten zu wollen. Sollen die Vollbusigen doch sehen, wie sie ohne uns auskommen.

49. WO SIND DIE MÄDCHEN?

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 6. April 2020

Wo sind die Mädchen?

Diese unbändige Frage haspeln wir mehrfach mit ungeheurer Schnelligkeit hinunter, nur um für uns selbst den Anschein zu erwecken, dass wir auch wirklich wünschen, es wissen zu wollen.

48. OCHSENFROSCH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. März 2020

Ehrenamtlich tätig wie wir sind, haben wir einen Feuchtbiotop in einem Kindergarten in unserem Geburtsort angelegt.

Bei der Einweihung ernten wir den anhaltenden stürmischen Beifall eines Ochsenfrosches.

Werden wir berühmt? Unser Herz ruft die Frage freundlich den restlichen Anwesenden zu.

Diese unsere bittere Frage kreist jetzt um die Sterne, denn man gibt uns keine Antwort.

47. ABER AUCH

4

von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 30. März 2020

Ein dickes Hallöchen an Sie alle, Sie liebe Finanzamtsachbearbeiterinchen. Jeder Mensch hat so seine eigene Art, die eurige hat, glauben wir, auch ihre guten Seiten. 

Wir lieben Euch alle, hoffen aber auch, dass wir nun bald die Einkommensteuerrückerstattung bekommen.

46. ZU HAUSE DEN RASEN MÄHEN

4

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. März 2020

Montag bis Freitag – abends in unserer Stammkneipe: wir hämmern auf den Rest der Menschheit ein, jedes Wort ein Schlag, keiner daneben. Die Lautstärke unseres Stimmorgans und die begleitenden Freirunden Bier geben uns ein gewaltiges Ansehen.

Am Samstag müssen wir aber zu Hause den Rasen mähen. Und mittags gibt es Bohneneintopf.

Sonntagvormittag finden wir uns in ernster Runde in unserer Stammkneipe zurück, wo der feinfühlige Wirt sich um unser Seelenheil kümmert. Den restlichen Sonntag lassen wir bei einigen Bierchen ausklingen.

Unser Leben ist hart, ein Kampf ohne ganzen Sieg.

45. DIE NEUE NEUE

4

von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 23. März 2020

Wir haben uns gestern eine neue neue Freundin zugelegt. Das mit  der letzten neuen Freundin war nichts.

Hoffentlich wird’s was, mit der neuen Neuen.

44. KARTOFFELN MIT ESSIGSOßE

4

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. März 2020

Wir haben Ursache, mit unserer Gemahlin zufrieden zu sein.

Regelmäßig tun wir ihr kund, dass ein heldenhafter Grundzug unseren Untätigkeitsdrang hebt und adelt, und dass, was das Herz betrifft, wir uns um nichts mehr mühen, als es für kommende Weltereignisse zu härten. Ohne Widerwort läßt sie uns die ganze Großartigkeit unseres Geistes und unserer Seele entfalten.

Bis zu dem Tage, an dem sie uns zur Kenntnis bringt, dass das Haushaltsgeld nur noch für Kartoffeln mit Essigsoße reicht. Was wir wohl zu tun gedenken?

Unsere hoch hinaufgeschossene Gestalt hängt wie gelähmt in ihren Fügungen und ein Gewölk von Spannung und Trauer lastet seitdem ganz besonders schwer auf unserem häuslichen Glück.

43. VORSINTFLUTLICH

4

von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 16. März 2020

Wir wollen jeden einzelnen unserer Gedanken persönlich aussprechen, betont sorgfältig und wie im Gespräch, bald entsetzlich gelehrt und vorsintflutlich, bald phantastisch weltentrückt, bald im gefährlichen Pathos, jetzt anprangernd, dann wieder heranrufend, dankbar lobend oder auch mahnend, die Sternstunde wie das Verhängnis bedenkend, ruhelos, erstaunlich verschwenderisch und dabei fast immer freundlich, Gefährten suchend, das Gegenteil des Apodiktischen.

Ja, so sind wir. Damit habt Ihr wohl nicht gerechnet, was?

42. RAUSCHENDE GEWANDE

4

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. März 2020

In einer lauen Sommernacht stehen wir auf dem Balkon und betrachten den Polarstern. Plötzlich ein Windhauch: wir hören rauschende Gewande.

Erinnerungen vergangenen Erlebens wirbeln wie traumhafte Phantome in der Welt unserer Gedanken vorüber.

Die tragische Gewalt dieser Erinnerungen ergreift unser Herz, aber wir wollen nicht ergriffen sein.

Wir werden immer unreife Knaben bleiben und uns einbilden wir seien Opfer gewesen, wenn wir liebten.

41. LITERARISCH

4

von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 9. März 2020

Leider sind wir gezwungen, alle Bücher über uns selbst selbst zu schreiben.

Denn es kommt dem Rest der Menschheit einfach nicht in den Sinn, sich mit uns literarisch auseinanderzusetzen.

40. FREUND FREDDY

4

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. März 2020

Unser Freund Freddy, der bewusst kinder- und kindergeldlose Splittungs-Ehegatte, ist heute unter Bereuung seiner Sünden in unseren Armen gestorben.

Freund Freddy hat allzeit gewünscht, nur deshalb viel zu besitzen, damit er reichlich verschenken könne.

So konnte Freund Freddy bisweilen sehr großzügig sein, wenn es um einkommenssteuerlich wirksame Spenden für das Verschenken von abgetragenen Schuhen an die von Sandflöhen geplagten männlichen Südpoleskimos ging.

Wir glauben aber nicht, dass man Freund Freddy sehr vermissen wird.

39. AUCH MAL

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 2. März 2020

Wir geben bekannt, wir möchten auch mal.

Die Weltgeschichte hält vor Schreck den Atem an.

38. INTELLEKTUALISTISCHE WÜHLARBEITEN

3

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. Februar 2020

Das Zusammenbrechen des ROI’s unseres Weltkonzerns ist ein Fall, der unser Wissen übersteigt.

Überhaupt kostet uns das Denken Mühe, was sollen wir uns mit intellektualistischen Wühlarbeiten aufhalten?

Nein, wir müssen mit schnellen Schritten weitereilen. Über die eigenen Besitzgrenzen hinauswachsen will der Mann mit dem gesunden Menschenverstand.

Wir wollen eine Gehaltserhöhung.

37. UMSTANDSMOMENT

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 24. Februar 2020

Wir leben in anhaltender Überspanntheit, unsere Gedanken jagen hinaus über das jetzige Umstandsmoment, unser Haarschopf flattert im Sturmeslauf, aus unseren Augen schlägt der Ingrimm in Flammen.

Unser Spezifikum vergletschert wie das Gebirgsmassiv, das zu hoch über die flachländische Tiefebene hinausragt.

36. BUSCHIGE AUGENBRAUEN

3

von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. Februar 2020

Klein und schlau blinzeln unsere grünen Augen unter den buschigen Augenbrauen.

Wir erkennen immer sofort die Möglichkeit eines bequemen Raubes.

Was man von uns kauft, muss sogleich weggeräumt werden, da wir es sonst ohne Umstände wieder an uns nehmen.

Wir sind Männer der Geschäfte, kennen Ziel und Aufgabe. Noch lieber würden wir morden, was nicht einmal so weit aus unseren Gewohnheiten fallen würde.

35. PEITSCHENHIEBE

3

von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 17. Februar 2020

Im Übermut unseres  wenig begründeten Selbstgefühls entscheiden wir, uns in ein einfaches, nettes, normales und natürliches Mädchen zwecks späterer Heirat verlieben zu wollen. Die Angst vor dem Versagen steht uns wie mit Peitschenhieben ins Gesicht geschrieben und treibt uns schließlich in die Arme eines schönen, lieben und reichen Mädchens.

Aus der Traum, alles umsonst.

34. KANINCHENZUCHT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. Februar 2020

Gerade haben wir durch den Abschluss eines außerordentlich lukrativen Geschäftes den ROI unseres Unternehmens gerettet.

Da kommt der aufstrebende Jungmanager zu uns und sagt: „Nimm meinen Dank. Euer Lohn wird nicht ausbleiben.“

Wir erwidern: „Unsere Taten belohnen sich selbst, junger Mann. Geh nun, schmücke Dich mit fremden Federn und bewege Dich laut raschelnd im dichten Unterholz Deines Beziehungsgeflechts.“ Unsere Worte gehören offensichtlich zu jenen Erlebnissen, welche die Empfindsamkeit der Seele tief bewegen und in der Erinnerung eines jungen Menschen unverlöschlich haften.

Denn unser aufstrebender Jungmanager entscheidet wenig später eine berufliche Neuherausforderung annehmen zu wollen, indem er den Vorsitz eines weltweit tätigen Interessenverbandes für die Kaninchenzucht übernimmt – immerhin mit 17 Mitgliedern.

33. UNGERN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 10. Februar 2020

Wir arbeiten nicht ungern, leider noch weniger gern. “Zeit zu handeln” von Ulrich Wickert gekauft. 0,99 € zzgl. 3,00 € Versandkosten bei Ebay. Bereits dreimal angefangen es zu lesen.

Sind auf einem guten Weg. Arbeiten schon etwas weniger nicht gern, nicht ungern.

32. BLICK AUS DEM KÜCHENFENSTER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. Februar 2020

In letzter Zeit sind aus dem Immobilienbesitz des Herrn Nachbarn bereits mehrfach Geräusche zu uns durchgedrungen, die durchaus als ein weibliches Lächeln interpretiert werden könnten.

Unsere Phantasie versagt, oder vielmehr sie wird ungesund. Wir erhalten zunehmend Grund zu schwerem Argwohn.

Wird der Herr Nachbar sich fortan den Lustbarkeiten hingeben? Wird er sich nicht mehr um die Pflege seines Gartens kümmern? Wird das Unkraut bald auch unseren Garten überwuchern?

Beim allmorgendlichen Blick aus dem Küchenfenster in unseren Garten martert uns eine innere Unruhe, die sich in tiefe Melancholie steigert.

31. ÜBERSCHWÄNGLICH

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 3. Februar 2020

Abends bedienen wir uns zum Besäufnis Biere, welche diese Bestimmung nur in sehr mangelhafter Weise erfüllen.

Unsere  Freude auf den nächsten Morgen, wo es eher gilt, nüchtern zu bleiben, ist immer recht überschwänglich.

30. ÜBERGEWALT

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von Carolus Borromeus aus “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Januar 2020

In Vorahnung des Glanzes und der Übergewalt unseres Vorgesetzen, sind wir immer vor ihm gekrochen; unsere innere Landschaft zeigte sich winzig anmutend im Vergleich zu dem mächtigen Mann.

Sobald uns aber klar geworden ist, dass wir uns in seinem Erfolg getäuscht haben, würdigen wir ihn, um unseren Irrtum ordentlich quitt zu machen, keines Blickes mehr.

Ab und zu summen wir eine eigenwillige Version  des Welthits “Put your Hemd on your shoulder” vor uns hin, was ihn zur Raserei bringt.

Niemals haben wir einen Menschen schneller seinen Abgang nehmen sehen.

29. ZWEIFEL

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von P. OPVEA in “Klarstellung von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 27. Januar 2020

Verfügen wir über genug Geld?

Den Zweifel daran lassen wir gerne Anlass für eine Forderung nach einer monumentalen Gehaltserhöhung sein.

28. HOBBYGROßWILDJAGD

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Von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. Januar 2020

Wir verfügen unfreiwillig über zu viel Geld und zu wenig Verstand und wollen auch mal was erleben.

Da bleibt nur die Hobbygroßwildjagd in Afrika. Jedoch bei dem vor Vielfältigkeit so wimmelnden und kaum auseinanderzuhaltenden Getier dort, das sich überdies systematisch dem Zielbereich unserer Flinte zu entziehen gewillt zu sein scheint, müssen wir dann doch rasch einsehen, dass dies nicht unser Ding ist.

OK, then is it so.

Dann müssen wir eben weiter unseren Lebensweg mit Frauengeschichten ausgestalten.

27. GEISTLICHE LIEDER

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 20. Januar 2020

Unsere Begeisterung für den vollbusigen Menschenschlag hat sich verzettelt und uns – alte Monogamisten im reifen Vorruhestand – in die Beziehungsmehrgleisigkeit gedrängt.

In der Dorfkirche singen wir jetzt jeden Freitagabend geistliche Lieder als Edelstücke religiöser Gedankenlyrik in der Hoffnung, dass die Spur unseres Wirkens sich nicht weiter verbreitert.

26. ZUSAMMENGEKRACHT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. Januar 2020

Jeden morgen, als wir uns so rein zufällig mal auf der Waage in unserem Badezimmer befinden, sagt der BMI uns, wir sind zu dick.

Es reicht jetzt. Wir sind uns schon der unbändigen Stoßkraft unseres Wesens bewusst und suchen mit Vollkraft den Zusammenstoß mit dem BMI, als wollten sich zwei Giganten in einem Titanenkampf entgegentreten, als brächen zwei Riesenbüffel aus der Herde, die schweren Hörner wiegend, beide unüberwindlich, um krachend gegeneinander zu rennen.

Heute morgen ist leider unsere Waage zusammengekracht.

Das hatten wir dem BMI nicht zugetraut. Respekt.

25. LÄSTIG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 13. Januar 2020

Wir haben die lästige Angewohnheit uns mit den Fäusten zur Wehr zu setzen, wenn wir uns mit Worten nicht mehr zu helfen wissen.

Hinter vorgehaltener Hand wird über uns gesagt, dass wir einen angeborenen Sinn für das Wesentliche haben.

24. SEHR GUTE BREMSEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6.Januar 2020

Wir lassen eine Annonce in der Regionalzeitung erscheinen: ” Verkaufen in nächster Zukunft unseren so gut wie ziemlich neuen BMW. Sportlich klingender Auspuff, geringer Spritverbrauch wegen häufigen Nicht-Anspringens und Kurzfahrtanregung aufgrund durchgesessener, neu überzogener Sitze. Leicht über dem Spritverbrauch liegender Ölverbrauch, sehr gute Bremsen.”

” Fattekonda. Fuladu. Madibu. Gungadi. AFFILLE IBI SIRING ”, rufen wir auf madagassisch öfters mal zur Selbstaneiferung aus.

Aber es meldet sich keiner, sogar von den berühmten Türken -oder so-  ist nichts zu hören.

So ist das mit diesem eigensinnigen Kundenvölkchen: durch die Wucht der Gegensätze fühlt es sich nicht verpflichtet, ein Schnäppchen zu ahnen; gibt man ihnen was, wollen sie immer mehr; gibt man ihnen nichts, wollen sie gar nichts mehr. Wir sind wohl die Gelackmeierten.

23. PROAKTIV

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 6. Januar 2020

Wir sind im Begriff, uns proaktiv den Verlockungen unseres lethargischen Lebensstils sukzessive entziehen zu wollen. Weiter möchten wir auch die Entscheidung herbeiführen, zwecks persönlicher Motivationsanreicherung ab sofort moderate Gehaltserhöhungen hinzunehmen gewillt zu sein.

Gespannt, was sich da in absehbarer Zeit so alles tun wird.

22. Körperlose Braut

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. Dezember 2019

Durch unsere Beförderung zum stellvertretenden Unterabteilungsleiter für Reklame und Sonstiges werden wir uns unseres Eigenwertes energisch bewusst.

Still und geduldig hören wir uns die täglichen Beschimpfungen des Werbeleiters mit vorläufiger Prokura an, halten mit mächtigem Gegenschlag das Drängen der Unteruntergebenen auf, fordern die Sekretärinnen mit ihren knospenhaften Brüsten, die unter dem eng anliegenden, reich bestickten Mieder schwellen, peremptorisch zu Fleiß und mehr Bereitwilligkeit auf.

Die Arbeit wird uns zum Lebensrückgrat, fast könnte man sagen, unsere körperlose Braut.

Mit heiligem Eifer gehen wir bis tief in den Abend hinein unserer Leidenschaft, Excel-Tabellen zu machen, nach, bis die Putzfrauen uns mit ihren derben Sprüchen nach Hause vertreiben.

21. Unsere lieben Freunde Theologen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. Dezember 2019

Viele unserer lieben Freunde Theologen mit Migrationshintergrund sind von fabelhafter Nüchternheit. Sie finden es nicht gut, dass wir Bier trinken.

Auch unter unseren lieben Freunden Theologen ohne Migrationshintergrund gibt es welche von fabelhafter Nüchternheit, die es nicht so gut finden, dass wir Bier trinken.

Jedoch gibt es unter unseren lieben Freunden Theologen ohne Migrationshintergrund auch welche, die nicht von fabelhafter Nüchternheit sind und denen es egal ist, ob wir Bier trinken.

Wir selbst finden es auf jeden Fall gut, dass wir Bier trinken.

20. Neueste neue Freundin

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. Dezember 2019

Die neueste neue Freundin  lässt uns vom Versanddienst einen schönen, gut verpackten Blumenstrauß  abliefern.

“Wildblumen als Runenzeichen der Natur – Stinkstrohblumen, Asphaltklee, Stinkgänsefuß und Aronstab – nur für dich. Für eine längere Haltbarkeit, bitte, in eine Vase stellen und regelmäßig das Wasser erneuern. Und immer schön an mich denken. In Liebe. Deine neueste neue Freundin. ” steht auf der beigefügten Karte. 

Wir vermeinen Trommelwirbel zu hören, Löwengebrüll, Kriegsschreie und Gebete. Bis der beim Auspacken einsetzende Gestank uns aus unserer Wohnung direkt in die Wohnung und die  Arme unserer neuesten neuen Freundin treibt.

Ja, sowas. Vorbei die schönen, sorgenlosen Tage und die noch neueren neuen Freundinnen. Am nächsten Morgen beim Frühstück haben wir schon den künftigen neuesten Schwiegervater am Hals, der ganz beiläufig, aber immer eindringlicher, über ein Doppelfamilienhaushälftebauvorhaben direkt in der Nähe faselt.

19. Nicht verlockend

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. Dezember 2019

Der Egbert hat es zum Besitz eines Katamarans gebracht. Ja, der Egbert wollte schon immer hoch hinaus.

Es ist aber nicht verlockend, den Lebenslauf von dem Egbert und seinem Katamaran zu studieren. Denn der Egbert läuft mit der Maske „ungebildet und roh“ herum. Und sein Katamaran fährt auch nicht viel besser.

Der Egbert hat Probleme mit der Ich-Bildung, mit der Vertiefung der Seele, mit dem Durchbilden der eigenen Person.

Nein. Mit seinem Katamaran wird der Egbert wohl nicht in die Geschichte einfahren. Der Egbert wird eben doch nur ein Egbertchen bleiben.

18. Die tiefe Fülle seiner rauen Stimme

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. Dezember 2019

Ein brodelnder Kessel der Meinungen und Gegenmeinungen, der Stimmungen und Verstimmungen ist es nicht, als in unserem Weltkonzern die allwöchentliche Absatzmittelfristprognose diskutiert wird.

Breitbeinig steht der mächtige Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich da, den linken Arm in die Seite gestützt, die Rechte hie und  da zu sparsamer, schwerfälliger Bewegung erhebend, und läßt die tiefe Fülle seiner rauen Stimme langsam, Wort für Wort, über unsere Köpfe hindröhnen. Manch einer von uns tritt mit schnellem Schritt nach vorne und dann wortlos noch schneller zurück, wenn er seine brennenden Augen, die rücksichtlos Wahrheit fordern, sieht.

Am Schluß kommen dann die unvermeidlichen Geschichten vom ROI und von den Kostensenkungspotentialen. Wir nicken hart Zustimmung und wanken,  vom schlafwandlerischen Ortsgefühl geleitet, dem Ausgang des Besprechungszimmers entgegen.

Wir rechnen: bis zur Rente sind es jetzt nur noch 992 Absatzmittelfristprognosegespräche.

17. Unter dem Namen “Schwein” bekannt

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. November 2019

Wir sind unter dem Namen „Schwein“ bekannt, den wir zu tragen uns selbst zur Ehre schätzen.

Wir sind Herrschernaturen und wie die nun einmal sind, etwas rau und gewaltsam.

Wir bilden den Charakter statt den Intellekt. Was bedeutet schon das bisschen Wissen gegenüber Fähigkeiten. Besessenheit von einer Aufgabe bricht aus uns.

Wir wollen keine Scharmützel, sondern nur große Schlachten.

16. Multivitamingetränke und Hagebuttentee

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. November 2019

Weil wir in den letzten Jahrzehnten so manch ein Bierchen zu viel genossen haben, nehmen wir der Gesundheit wegen auf ärztliche Empfehlung drei Wochen lang lauwarme Multivitamingetränke und Hagebuttentee – nur als Nahrung, nicht zur Erquickung – zu uns.

Das anschließende Trinken eines kühlen Bierchens ist schon eine köstliche Erfrischung.

Dabei verdrängen wir auch leichter den Gedanken, dass wir in einigen Jahrzehnten der Gesundheit wegen auf ärztliche Empfehlung erneut wohl lauwarme Multivitamingetränke und Hagebuttentee zu uns nehmen werden müssen.

Darauf trinken wir noch ein paar kühle Bierchen zu viel.

15. Der innere Frieden

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. November 2019

Unsere Erscheinung mit Schlagstock begünstigt auf den ersten Blick den Trugschluss, wir seien gekommen, um Kirchenchöre zu dirigieren.

Wir treiben uns aber lieber in dunklen Gassen herum, wo sich die dunklen Gedanken heimisch fühlen und die Schatten noch schwärzer werden. Unsere Leidenschaft gilt der Nacht, dem Erlöschen, dem Dunkeln des Herzens. Wir wissen von Dämonen, von den Mächten der Finsternis…

Da, wo die nächtlichen Hohnrufe des frechen Pöbels am lautesten klingen, greifen wir durch heftig geführte Schläge aufs Wirksamste ein.

Der innere Frieden, den wir suchen, ist der, der durch Kampf erlangt wird.

14. Gewaltige Geldquellen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. November 2019

Seit der frühesten Kindheit verfolgen wir zielstrebig unser Vorhaben, 5 Millionen € im Lotto zu gewinnen.

Denn unser Lebensweg, den wir immer vorgezeichnet sahen, ist dergestalt, dass wir zwecks Absicherung eines bestimmten Lebensstils gewaltige Geldquellen brauchen.

Und dann der furchtbare Schlag: im hohen Alter gewinnen wir 25.000 €… Aus der große Traum, alles war umsonst.

Die Kräfte des Unermüdlichen in uns haben sich verzehrt. Fortan können wir nur noch klare Denker, aber keine wahrhaft Lebendigen mehr sein.

13. Ziemlich unrasiert

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. Oktober 2019

Unser Haar hängt wild in langen Strähnen herab.

Wir sind verstrubbelt und mürrisch und ziemlich unrasiert.

Wir rauchen, kiffen, saufen, hängen mit den Kumpeln rum, machen Radau und die Frauen an, starren Löcher in die Luft und warten auf etwas, dass doch nie passiert.

Wir haben unsere Seele der Hölle verpfändet.

12. Da fühlen wir uns veranlaßt

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. Oktober 2019

Wirbelnde Bewegungen, in denen Wut liegt, packen den Körper der alten Nachbarin; in zuckenden Reflexen durchzittert das Spiel der Muskeln ihren Hintern.

Ihre Stimmgewalt ist nicht von der friedlichen Romantik eines unbeschwerten Lebens getragen, ihre Gedankenäußerungen deuten vielmehr darauf hin, dass sie uns zu allem anderen als einem lauschigen Verweilen und Plaudern einlädt. Zweifellos verdankt die Symphonie der auf uns herunterprasselnden, unartikulierten Laute ihren Ursprung einer tiefen Unzufriedenheit über unser Verhalten in Bezug auf überhängende Lebensbaumzweige.

Und wir sagen ihr noch: „Haben Sie Dank, dass wir in Ihr Leben eintreten dürfen, Sie große Dame.„  Es entlädt sich die bis jetzt noch verhaltene Wut in einem beunruhigenden Gepiepse. Eigenartiger Dämmerschein erhöht die Unheimlichkeit der Atmosphäre.

Da fühlen wir uns veranlasst, die alten Heldenlieder zu singen.

11. Naturverstand

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. Oktober 2019

Wir sind nicht dumm.

Wir haben sogar Verstand.

Aber nur den Naturverstand eines wilden Tieres zu seinem Beutefang, zu seinem Handwerk.

Unser Handwerk ist die Politik.

10. Der Moment für Gesprächsanbahnungen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. Oktober 2019

Wir machen Urlaub. In der Pension, wo wir wohnen, befinden sich acht Mädchen, beinahe alle nicht zu unhübsch.

Schon hört man uns täglich leise vor uns hin alte Minnegesänge pfeifen. Und dann wissen wir: die wilde Zeit ist jetzt da. Auf dem Boden dieser Erkenntnis erhebt sich mit mächtigem Flügelschlag unsere Einsicht, daß der Moment für Gesprächsanbahnungen gekommen sei.

Plötzlich sind sie aber weg, unsere Mädchen.

Wieder zu Hause, rufen wir für uns die Welt zum Zeugen, wie schwer wir unter den sittlichen Bedrängnissen des leichten Geschlechtes zu leiden haben, noch mehr denken wir darüber nach, wie die Blödheit in die Welt gekommen ist.

9. Gemüsegarten

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. September 2019

Sie liebt uns. Aber es schadet nicht. Denn sie weiß es noch nicht. So können wir sie weiterhin täglich besuchen, ohne die Unbefangenheit unserer Standpunkte und die Lässlichkeit unseres Lebenswandels aufgeben zu müssen.

In das zarte Weben dieser knospenden Beziehung schlägt nun die raue Faust  des künftigen Schwiegervaters. Uns wird gesagt, wir sollten zur Sache kommen.

Da erlauben wir uns ein freies Manneswort: „Ja, hören Sie mal, Sie Möchtegern-Schwiegervater. Wie man bemerkt, geht es bei Ihnen etwas durcheinander mit den Wertbegriffen. Wir nehmen es puritanisch ernst mit dem Pflichtenkreis der höheren Menschheit und da kommen Sie mit Ihren platten Sachen. Dabei ist es schon ein trauriges Geschick, Schwiegersohn sein zu sollen. Wir haben gar kein Interesse daran, uns dafür auszubilden. Im Übrigen haben wir Ihrerseits brautschatzmäßig bis jetzt nur sehr wenig gehört.“ Das sitzt.

Seitdem lässt er das Gespräch ruhen und blickt bei unseren Besuchen wehmütig hinaus, seinen Gemüsegarten betrachtend.

8. Dicke, feuchte Lippen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. September 2019

Gerade haben wir unfreiwillig die Bekanntschaft mit einigen der nicht unhübschesten blonden Vertreterinnen des vollbusigen Geschlechts gemacht, da werden wir schon von allen Seiten von dicken, feuchten Lippen geküßt.

Geduldig warten wir, bis bei der Begegnung eine Pause entsteht.

Diskret geben wir den Damen bekannt, daß es uns schmerzt, sagen zu müssen, dass wir so eben Dinge durchlebt haben, deren Erfahrung wir gerne vermieden hätten.

Verstört laufen sie davon, als wir mit hoher Fistelstimme den Welthit „Put your Hemd on my shoulder“ zu präludieren beginnen.

7. Junggesellenerlebnisgruppennachtwanderung

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. September 2019

Als wir erschöpft von einer Junggesellenerlebnisgruppennachtwanderung ankommen, liegt der Zielort bereits in tiefem Dunkel.

Nur am Puff brennt einladend eine kleine Laterne.

Bei den diensttuenden Mitarbeiterinnen informieren wir uns nach der örtlichen Lage des Übernachtungs- und Erlebniswesens, bekommen aber nur unpräzise Antworte.

Vergeblich versuchen wir die Gespräche weiter zu vertiefen und entscheiden schließlich den Heimweg anzutreten. Wir klingeln einige der örtlichen Taxifahrer aus dem Bett. Wir müssen sagen: die örtlichen Taxifahrer, die sich durch ihre lärmende, flegelhafte Unbedarftheit und peinliche Forschheit sowie auch durch ihre hohen Preise auszeichnen, besitzen einen Vorzug, durch den sie alle ihre Sünden gutmachen: sie fahren schnell. Wenige Stunden später befinden wir uns schon zu Hause – müde, aber glücklich.

6. Schöne Worte hingegen sind nicht zu hören

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. September 2019

Es ist schon ein Elend mit dieser Dorfskneipe: Bier, das unwillig fließt, Kellner die ihr Trinkgeld im Voraus nehmen, ungenießbare Mahlzeiten –selbstverständlich nichts unter acht Gängen-, blühende Blondinen, die sich freiwillig unter die Hut äußerst rabiater Greisen stellen…

Schöne Worte hingegen sind nicht zu hören.

Nach jedem verlorenen Abend schlurfen wir, müde vom Thekenhängen, nach Hause.

Der Tag war wieder einmal verhängnisvoll. Bei einigen Bierchen ringen wir in unserer Dachstube  bis tief in die Nacht um Kraft und Fassung.

5. Unser Geburtsort

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. September 2019

Was tropfen die Kerzen so laut? Die Sonne verfinstert sich, und die schweren Wolken ziehen über das Gebirge wie Nebelgeister dahin.

Doch berühren sie den Scheitel der Berge nicht, sie schleichen an ihnen vorüber, als fürchteten Sie ihren schaurigen Inhalt…

Unser Geburtsort macht schon einen etwas düsteren Eindruck, indem ein Dauerregen die alten Gebäude noch unheimlicher erscheinen lässt, und überdies die Burg, die auf dem höchsten Gipfel liegt, in alle Gassen ihren Geistergruß herabwinkt.

Diese natürlichen Lebensgrundlagen haben bestimmt nicht unwesentlich  zu unserem eigenwilligen Sozialverhalten beigetragen.

4. Wir empfinden einen angenehmen Eindruck

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. August 2019

Wir fragen den Direktor, weshalb er so finster schaue.

Seine Antwort lässt nicht auf sich warten: „Welch Übel und Verfolgung habe ich von Euch Belegschaftern nicht erdulden müssen. Und welches Elend und Unheil habt Ihr nicht über mich gebracht, und welch boshaftes Lügengewebe habt Ihr nicht gegen mich gesponnen! Die von Euch mir zugefügten mannigfachen Übel kann ich der Reihe nach wegen ihrer Menge jetzt nicht aufzählen, weil ich noch vom Kummer meiner Seele umfangen bin.“

Die Bürolampe im Direktionszimmer hört nicht auf ein weiches, mattes Dämmerlicht auszubreiten.

Wir empfinden einen angenehmen Eindruck und fühlen uns so heimisch an diesem Ort, dass wir noch am selben Tag entscheiden, uns künftig dort  immer häufiger aufhalten zu wollen.

3. Mit zu kleinen Laternen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. August 2019

Ein Wespenschwarm ist nachts aus irgendeinem Grund in die freudigste Aufregung versetzt und schon erscheinen wir mit zu kleinen Laternen, so dass man mehr hört als sieht.

Wovon träumen wir? Von Elefanten und von Königen, die uns feiern.

Wir haben uns auserwählt, wähnen uns sehr bedeutend und marodieren gern. 153 Scharmützel mit der alten Nachbarin haben wir schon gehabt. Wir sind willensstarke, erfahrene Männer – Männer, die gern überhängende Zweige heimlich abschneiden.

Unsere Sehnsucht nach ehelicher Harmonie schafft eine Weltsicht, die es ermöglicht, voller Empörung zu leben.

2. Das Glück der Armen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12.08.2019

Obwohl unsere Leistungen und die Lage unseres Weltkonzerns es nicht zulassen, bringen wir unsere Forderung nach mehr Gehalt dem Spartenleiter Personal und sonstige Probleme gegenüber eindringlich zum Ausdruck.

Wir glauben, dass er wohl vernünftig genug sei, eine Ausnahme zu statuieren.

Anfänglich unterhalten wir uns recht gut, aber bei fortschreitender Gesprächsdauer stellt sich zunehmend heraus, dass die Begriffe zu Gehaltserhöhungen für Dritte in seiner Erziehung und Ausbildung offensichtlich schwer vernachlässigt wurden. Er redet über Bescheidenheit, Selbstbesinnung, über die Erhabenheit des Weltalls, die Andacht in der Natur. Er steht auf und hält uns die weit ausgestreckten Arme entgegen: “Ein Rausch erfasst mein Herz! Eine Ekstase, die alles Denken aufhebt! Mein Ich versinkt in den Urgrund alles Seins! Begnadet, wer diesen Zustand erlebt! Es ist die Sehnsucht der Einzelseele aus der Sinnlichkeit heraus nach dem unergründlich Höchsten. Jede Kreatur teilt diese Sehnsucht. Ich liebe euch alle, ihr Gotteskinder!”

Als wir sein Büro bereits verlassen haben, hören wir noch, wie er laut jubelnd über das Glück der Armen zu reden beginnt. Wir wissen: das wird nichts mit der Gehaltserhöhung. Bis zur Frühverrentung werden wir jetzt die schwere Last unseres trüben Gemütes zu tragen haben.

1. Die Spielerfäuste

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. August 2019

Bei uns ähnelt der Fußball dem gängigen insofern, als dass er –was den Ball betrifft- ohne Hände gespielt wird. Ansonsten kommen die Spielerfäuste sowohl in der 1. als in der 2. Spielhälfte recht ausgiebig zum Einsatz.

Ferner kommt es bei uns noch darauf an, während des Spiels die Zahl der Eigentore unter der der Gegentore zu halten. Und wer gewonnen hat, hat verloren.

Schließlich muss das Ende des Spiels abgewartet werden, um den Sieg zu feiern. Dies gilt sowohl für die Spieler der beiden Mannschaften als auch für die Zuschauer.

Bei uns lieben sowohl die Spieler als auch die Zuschauer den Fußball sehr.