TagKurzliteratur Literatur

184. DIESBEZÜGLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Dezember  2021

Wir möchten eine Gehaltserhöhung.

Um eine ablehnende Entscheidung diesbezüglich zu entgehen, entscheiden wir uns keine Forderung diesbezüglich zu stellen.

Darauf trinken wir ein paar Bierchen zu viel.

Denn, das ist uns immer noch lieber als keine Gehaltserhöhung zu bekommen.

183. HOCH HINAUF

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. Dezember  2021

Als erfahrener Lotto-Spieler sind wir unermüdlich im Erdenken und Ausmalen aller weiteren Stufen unseres wirtschaftlichen Aufstiegs.

Denn wir sehen die Welt nicht anders, als eine Vielfalt von mehr oder weniger gefährlichen und steilen, mehr oder minder hoch ins Ungewisse reichenden Stufenleitern, eigens geschaffen, damit wir die höchste aussuchen, um an ihr so hoch hinauf zu klettern, wie unser gutes Glück eben tragen würde.

Und recht hoch soll es sein, das wissen wir schon seit frühester Kindheit. Dem strebenden Menschen wird vom Schicksal das geboten, was seinem Wesen entspricht und was er zu seiner Vervollkommung braucht.

Und dann der große Schlag: im Alter von 77 Jahren gewinnen wir 7,90 €. Aus der große Traum. Uns selbst überlassen, werden wir uns jetzt auf eigene Faust durchs Leben zu schlagen haben.

182. AUSWEG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. Dezember  2021

Auf unser klopfendes Befragen ergibt unsere Geldkassette eine hohle Antwort.

Wir zähmen unsere aufbegehrende Wut und überlegen.

Wie, wenn man weder die Gelegenheit zum Borgen, noch die Aussicht auf eine Erbschaft, noch die Absicht zu Stehlen, noch eine Gehaltserhöhung zu erwarten hat.

Dann gibt es nur noch einen Ausweg: es gilt in die Politik zu gehen.

181. MIT ROLLENDER LÖWENSTIMME

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. Dezember  2021

Wir sehen ein schönes Mädchen auf der anderen Straßenseite promenieren.

Mit rollender Löwenstimme rufen wir sie zu, wir lieben sie.

Die Vorsicht haben wir längst aufgegeben. Wir leben in einer Zeit, wo man um jedes mögliche Wort, das man gesprochen oder auch nicht gesprochen hat, abgewiesen, gemobt oder zu Grunde gehen kann.

Da uns nun jedes Wort Unglück bringen kann, wollen wir wenigstens an solchen Worten zu Grunde gehen, die uns selbst gefallen.

180. WAS NOCH KEINE SCHANDE IST

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 29. November  2021

Da wir nicht gewohnt sind viel Aufwand zur körperlichen Reinheit zu betreiben, lässt sich vermuten, dass der eigene Gestank uns nicht stört. Was noch keine Schande ist.

Dennoch, wir bieten keinen sehr reizvollen Anblick. Wissen wir.

Nur durch regelmäßige Rasur gelingt es uns ein Aussehen zu erlangen, hinter dem jede Menge Frauen verborgene Reize entdecken können.

Wir hoffen, dass der Umstand, dass wir übermäßig nüchtern zu sein, nicht gerade als notwendige Tugend ansehen, dabei nicht hinderlich ist.

179. DIE KELLNER BEKOMMEN KEIN TRINKGELD

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. November  2021

Alle Welt will in unserer heimatlichen Lieblingsspelunke Gast sein; sich am Bier zu berauschen, gehört zum guten Ton.

Außerdem darf geprügelt werden; aber nur als Ausbruch der Lustigkeit, versteht sich.

Die Kellner bekommen kein Trinkgeld, auch Speisekarten gibt es nicht, dafür reichliche Portionen.

Vollwertige Vertreterinnen des erblühten Frauentums werden zu Bacchantinnen… die Unschuld flieht erschreckt, zahllose Babys lachen sich 9 Monate später ins Fäustchen.

178. BETONFEST

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. November  2021

Wir sind der langjährige stellvertretende Unterabteilungsleiter für Reklame und Sonstiges in einem Weltkonzern. Unser Blut ist stolz, will unbesiegbar sein. Und dann so was: man will uns in die Frührente schicken.

Aber soll man denn solche Überlegungen durch Entgegnung der Unbedeutsamkeit entreißen?

Nein, blitzschnell schlagen wir einen Mittelfristprognosesalto, machen den ROI-Hochstand – sich einzig auf dem Daumen der Kostensenkungspotentialen stützend -, wirbeln globalisierend in der Luft herum, witschen quick and dirty zwischen den Beinen des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich durch, schlagen eine Kerngeschäftsmühle.

Und sitzen plötzlich wieder betonfest auf unserem Posten. Wir überlassen dem Gesamtspartenleiter ruhig seinen Anfall von Selbstverspottung zu genießen.

177. SCHWINGUNGSWEITE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 08. November  2021

Auf zu neuen Kunden!

Wir unternehmen zum ersten Mal eine Dienstreise. Unser Arbeitstag hatte noch nie diese Schwingungsweite und so genießen wir den blitzenden Morgenhimmel, das ferne Ziel und all die abenteuerlichen Aussichten dieser Reise mit wahrhaft freibeuterischer Lust.

Der Motor unseres Dienstwagens der unteren Mittelklasse brüllt wie ein hungriger Löwe, er spuckt Öl und wütet. Und dann sowas: nach einer apokalyptischen Massenkarambolage muß es schließlich noch vor dem ersten Kundenbesuch komplett verbeult aus dem Straßenkampf abgeschleppt werden.

Ein trauriger Tag.

176. ANDEUTUNGEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 1. November  2021

Wir statten einen Besuch in einem jener gefürchteten Tanzlokale in der heimatlichen Tiefebene ab. Für uns, überzeugte Junggesellen, deren Bewegungsabläufe und Verneigungskünsten es an Schwung mangelt, ist Tanzen ein Greuel, aber hin und wieder muß man mal aus sich heraus.

Da haben wir es schon: unsere Tanzpartnerin macht Andeutungen, mit uns ins Gespräch kommen zu wollen. Bei Beleuchtung erweist sich diese Dame als gar nicht sehensunwert. Nicht ganz überraschend für uns, zeigt sich, dass uns die Gabe der Rede versagt ist und so lassen wir unsere Blicke ausweichend gen Himmel schweifen.

Schwer wächst das Schweigen. Der DJ erkennt die Lage und setzt zum Rappen ein. Vorbei mit den Gesprächsanbahnungen, unsere Tanzpartnerin scheint auf einmal am liebsten überhaupt keinen Gebrauch mehr von der deutschen, noch von einer sonstigen Sprache machen zu wollen. Ihre Ober- und Unterröcke rauschen wild, der viel zu tiefe Ausschnitt ihres zu engen Mieders zeigt blanke Ausgelassenheit.

Es beginnt eine Kette von Verwicklungen, deren Ende sich nicht absehen läßt. Wir können uns nicht daran erinnern, was weiter geschehen ist. Aber irgendwie muß der Abend wohl zu Ende gegangen sein, wie die Begebenheit, dass wir uns am nächsten morgen mit der zukünftigen Braut am schwiegermütterlichen  Frühstückstisch zusammenfinden, uns belehrt. Schwer wächst das Schweigen. Und kein DJ in der Nähe …

175. JEDERMANN HAT SEINEN PREIS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. Oktober  2021

In der Erledigung schwebender Geschäfte greifen wir sicher zu.

Dabei macht sich unsere Zugänglichkeit für Bestechungen positiv bemerkbar.

Es ist nicht die niedrige und gemeine Liebe zum Geld, sondern unser Zynismus, der sich in diesem Zusammenhang als glücklich angeboren erweist.

Wir meinen: Jedermann hat seinen Preis.

174. EIN HERRLICHER ABEND

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. Oktober  2021

Abends auf der Außenterasse unserer Stammkneipe machen wir unfreiwillig die Bekanntschaft mit einigen Damen aus dem Heavy Beauty Bereich.

Ihr Verhalten liefert keinen Beitrag zur Erweiterung unseres geistigen, noch unseres körperlichen Horizontes.

Wir begießen unser Glück, gerade noch einmal davon gekommen zu sein, mit einigen Bierchen.

Es ist ein herrlicher Abend, den wir da vollbringen, die Blicke unbekümmert bald auf die Heavy Beauties, bald auf den schönen Himmel gerichtet.

173. VOM SCHICKSAL GEPACKT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. Oktober  2021

Eines Abends entscheiden wir, zwecks Hebung der Stimmung durch den Genuß von einigen Bierchen zu viel, uns in die Dorfskneipe zu begeben.

Nichts ahnend stehen wir schweigend an der Theke, wo sich schon etliche Bierchen zu viel bei uns eingefunden haben, als durch das plötzliche Eintreten einer leichtbekleideten, vollwertigen Vertreterin des erblühten Frauentums mächtig Unheil in unseren Herzen und Stretch-Hosen gestiftet wird.

Am nächsten Morgen finden wir uns schon am schwiegermütterlichen Frühstücktisch und essen dort Rührei mit Speck. 

So ist das Leben: eine winzige Unaufmerksamkeit und schon wird man vom Schicksal gepackt.

172. SCHLAGLÖCHER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. Oktober  2021

Unsere Autobahnen sind mit Schlaglöchern übersät.

Das Rütteln der Autos kann man sich nur vorstellen.

Denn beschreiben lässt es sich nicht.

Und überhaupt: uns scheinen hierzulande die Autobahnen als Mittel zur Raumüberwindung eher zufällig entstanden zu sein.

171. GEPLAUDER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. September  2021

Um das Gespräch mit unserem fremdländischen Gegenüber zu beleben, reichen wir Bier.

Und wir lassen es uns nicht nehmen, Bier zu reichen, so oft wir an die Reihe kommen.

Darauf bringen wir wohl eine Stunde mit Geplauder zu.

Doch wird auf beiden Seiten wenig verstanden.

169. SCHÖNE WEIHNACHTSLIEDER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. September  2021

Wir können den Gedanken, dass wir es eines Tages zu viel Geld bringen werden, nicht abwenden.

Wir beginnen schon im Voraus, jeden Tag etwas zuviel Geld auszugeben.

Bald tut unsere Geldkassette nach klopfendem Befragen durch eine hohle Antwort ihrer inneren Leere kund.

Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als nicht unendgeltlich alljährlich schöne Weihnachtslieder in der Fußgängerzone unseres Geburtsortes zu singen, sowie uns durch heimliches Kappen in den Dorfswäldern unentgeltlich alljährlich einen Weihnachtsbaum zu erwerben.

168. WIR LIEBEN SIE, SINGEN WIR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. September  2021

“Wir lieben Sie”, singen wir unserer Angebeteten freudig in unserem finsteren Garten, den der Gluthauch im Kugelgrill dumpf und unbestimmt erhellt, entgegen.

Wir präludieren ihr die schönsten Liebeslieder vor; es sind herrliche Stunden, die wir da gemeinsam verbringen.

Dann setzen wir zu einer in dem Augenblick geborenen Eigenkomposition  ” Komm lasset uns jetzt die Koteletts, Würstchen und den Speck auf den Grill schmeißen” an.

Und dann so was: der Grill ist aus.

167. DAS LEBEN IST NICHT MEHR SO SCHÖN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. August  2021

Wir sind Vorstandsvorsitzender eines Weltkonzerns; das Leben ist schön.

Außer uns selbst ist in unserem kahlen Büro nicht viel zu sehen. Nur noch Schreibtisch und Chefsessel.

Auch die noch überflüssig, weil wir uns in letzter Zeit zwecks Durchführung von Vorträgen über die Realisierung von Kostensenkungspotentialen überwiegend in Besprechungszimmern aufzuhalten pflegen.

Neuerdings verweilen wir wieder häufiger in unserem kahlen Büro, denn es gilt zunehmend Überlegungen anzustellen, wie die Aufforderungen des Aufsichtsrats zur Demission auszuweichen. Das Leben ist nicht mehr so schön.

166. BEGEISTERTE RADFAHRER UND BIERTRINKER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. August  2021

Als begeisterte Radfahrer und Biertrinker machen wir gerne das Umland unsicher.

Den einheimischen herumkriechenden Freunden des Radlersports weit voraus, reiten wir auf unserem holländischen Stahlross mit dem Sturmwind um die Wette. Weit im Winde flattern unsere langen, blonden Locken.

An der erstfolgenden Kneipe angekommen, springen wir sausend vom Sattel, zischen ein paar Bierchen, führen einen lockeren Gedankenaustausch mit den blondhaarigen Kneipenbesucherinnen, und schon geht’s weiter.

Vorwärts gebeugt treiben wir das schlammbespritzte Ross zu immer neuen Höchstleistungen und zur nächsten Kneipe.

165. SCHNARRENDE TROMPETENTÖNE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. August  2021

Der Vorstand läßt seine schnarrenden Trompetentöne der sich aus dem Globalisierungszwang erforderlichen Realisierung von Personalkostensenkungspotentialen erklingen. So, wie sie diese Forderung dastehen lassen als Gipfelung des Gedankens, der dem Ganzen zugrunde liegt, zugleich als herausfordernd kühnes Bild, rechnen sie auf sofortiges allgemeines Verständnis.

Wir, Belegschaftler, möchten dazu keine feigen Gedanken laut werden lassen:

„ Unverletzlich ist Eure Schlechtigkeit und groß wie der reine Wahnsinn. Alles Redensarten,  Phraseologie, hinter der sich schändliche Gedanken verbergen. Vier fünftel eures Gelabers frei erfunden, das letzte fünftel in der Schlußfolgerung gröblich entstellt. Ihr Shareholder Value-Kasper! „

Da steht der Vorstand, aufgeblasen und unerbittlich in die Gegenwart zurückgerufen. Fortwährend von uns umbrüllt, werden ihre Trompetentönen leiser. Schließlich beginnen sie über organisches Wachstum und Marktpotentiale zu faseln. Na Bitte, es geht doch. Und mehr Gehalt auch.

164. FLOWER POWER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. August  2021

Wer in unserer Lieblingsspelunke den höchsten Grad von Berauschtheit zeigt, wird besonders ausgezeichnet.

Ein guter Mensch kann nie genug Gutes tun, aber ein Bosewicht ist unersättlich im Schlechten.

Hoffentlich dauert unser Geschwätz nicht zu lange. Es wäre peinlich, wenn wir selbst einschliefen …

Jedoch auch der herbe Zug der neuen Zeit drängt sich allmählich in die stille Weltabgeschiedenheit unserer Heimat auf: wir gründen eine Flower Power – Arbeitsgruppe und sind mutig im Augzeigen von Standpunkten, wie wir uns in Bezug auf den Vietnamkrieg verhalten hätten.

163. UNRUHE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. August  2021

An irgendeinem spätsommerlichen Morgen stehen wir in unserem Garten und beobachten den Sonnenaufgang.

Da hören wir, wie die alte Nachbarin rechts und ihr Zwerg von Ehemann von ferne herankrachen und wie sie mit ihren hohen Fistelstimmen gellend unseren Namen rufen. Sie sind in sprühendester Laune. Insbesondere der alten Nachbarin sieht man ihrer mächtigen Vorderfront die Unruhe ihres Hirns an.

Wir entfernen uns, das Unsichtbare verwirrt.

Da sie ihre Launen nun nicht an uns auslassen können, streiten und zanken sie sich unentwegt untereinander. Wenn sie sich schließlich zurückziehen, sind sie sich wieder soweit einig darüber, dass sie uns am nächsten Tag erneut zur Rede stellen werden.

162. GEHEIME BUSSÜBUNGEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. Juli  2021

Die Worte der Schwiegermutter bringen heute mächtig Aufregung in unser Haus.

Sie sitzt morgens schon sehr zwiespältig da, als sie uns sagt: „Noch heute verspüre ich auf meinem Gesicht die Träne, die ich schon immer vergießen wollte. Wenn ich Euch brauche, entschuldigt Ihr Euch. In dieser Brutstätte von Verhöhnungen, denen ich dauernd  ausgesetzt bin, höre ich Euch nie das Hohelied des Geistes singen, als die vollendende Verheißung des klugen, kleinen Lernens, als die klärende Gewalt, als Trost und Zuflucht und Lebensmacht. Die Kräfte des Unermüdlichen in mir haben sich verzehrt.”

Ihre Worte klingen wie die Posaune des Weltgerichts. Uns steht das Entsetzen im Gesicht, wir sind entgeistert bei dem Gedanken, jählings mit unseren unrechten Werken vor den göttlichen Richter treten zu sollen.

Es befremdet uns zu sehen, dass unsere Ankündigung uns fortan täglich beim Morgengrauen in den Stadtpark zu begeben, um dort im chinesischen Pavillon zur Entsündigung geheime Bußübungen zu machen, sie nicht beruhigen kann. Sie sagt noch: ” Przwlt”, und überlässt sich seitdem schweigender Betrachtung.

161. DIE GRÜNLICHE FARBE SCHLECHTER PILZE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. Juli  2021

Mit der Wucht einer Streitaxt wollen wir fortdauernd das Böse zerschmettern.

Wir sind aber stets zu Begnadigung geneigt, wenn das Verbrechen zweifelhaft ist.

Und zu freigebiger Belohnung bereit, auch wenn die geleisteten Dienste nicht ganz erweislich sind.

Wir leben auf dunstender Erde und können in wenigen Stunden die grünliche Farbe schlechter Pilze annehmen.

160. BLUTNEBEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12. Juli  2021

Stechend süß und betäubend steigen Blutnebel auf und ziehen durch die Nacht.

Den wilden Göttinnen verlangt es nach wilden Spielen.

Nackt steht die Zeit vor uns, von der wir wissen, dass sie keine glückliche sein wird.

Vorbei mit allegorischen Deutungen, jetzt werden wir in Angelegenheiten verwickelt.

159. LEERES ECHO

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. Juli  2021

Wir sind Kraftmenschen und Raufer, eckig, brüsk und bellend, wie Dorfshunde und wollen Karriere machen. Wir verkünden, daß wir rücksichtlos sind und sehr derb zufassen können. Jedoch es will nicht richtig.

Die Hast arbeiten zu müssen, weil die Lebenszeit nicht reichen würde, Angst, doch nie das Größte zu erreichen – das ist unser Leben.

Es macht uns dumpf, wir sind höchstens noch zeitweilig abgelenkt fröhlig.

Tagtäglich fühlen wir es, wie die Peitsche eines Dämons, der uns die Vergeblichkeit unseres Schaffens wieder und wieder zeigt. Mit finsterer Stirn und wildem Blick, mürrisch, gallig, mit dem ständigen bitteren Zug um den Mund brüllen wir in die Welt hinein und ernten nur das leere Echo.

158. VIELLEICHT GERADE DESWEGEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. Juni  2021

In unserer Stammkneipe

Ist alles betrunken

Außer den Gästen

Vielleicht gerade deswegen.

157. HALLO, IHR GUTENTAGSAGER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. Juni  2021

Hallo, Ihr Gutentagsager.

Seid Ihr da oder nicht?

Wenn Ihr da seid, schert Euch zum Teufel. Wenn Ihr nicht da seid, ist es auch gut.

Wir stehen in uns selbst, wir tragen uns selbst, wir sind in uns, nicht in einem andern.

156. ZAUNKÖNIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. Juni  2021

Kein Mensch, der sich ernsthaft mit dem Thema Gehaltserhöhungen beschäftigt, kommt an unserer Person vorbei.

Nur dieser Zaunkönig von Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme meint wohl feilschen zu müssen, um Dingen die ihm nicht gehören.

Wir schreien ihn nieder, als er vom Glück der Armen spricht.

Da bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich in seinen Bürokleiderschrank zurückzuziehen und in stiller Abgeschiedenheit den Verlauf der Dinge abzuwarten.

155. ERHABENE ZWIESPRACHE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. Juni  2021

Die erhabene Zwiesprache zwischen unserer Brieftasche und uns ist verstummt.

Denn unsere Brieftasche läßt die Sparsamkeitsflagge im Winde wehen und zeigt ein so leeres Aussehen, dass wir eher uns gezwungen sehen, Geld hineinzutun, als uns frei zu fühlen, Geld herauszunehmen.

Seitdem herrscht eine Zeit der Umwälzungen. Die für uns folgenschwer werden könnte, wie immer häufiger  unsere Hausbank verlauten läßt.

Dort redet man mit uns nur noch über dunkle Dinge, die mit  innerliche Scheu ablegen und dem Zeitmangel entgegenwirken beginnen und mit Angelegenheiten, die mit Arbeit zu tun haben, enden.

154. GLAUBEN SIE BLOß NICHT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 31. Mai 2021

Auf unseren täglichen Spaziergängen begegnen wir seit einigen Wochen häufig einer Dame. Es ist eine frische, junge Dame in blond, eine Alte wäre sicherlich schlimmer.

Aber auch wenn sie sich noch so sehr bemüht, jeglichem Gedankenaustausch mit uns diskret aus dem Wege zu gehen, wir bleiben hart, und sagen ihr jedes Mal: „Glauben Sie bloß nicht, Sie können uns einfangen.“

Wir, katholisch bis auf die Knochen, haben so unsere Erfahrungen und wissen, dass man sich diese Bräute nicht weit genug vom Leibe halten kann. Der Dorfspastor pflichtet uns übrigens bei und bestätigt, dass unsere Ansichten Erkenntnis verraten.

Eines Tages ist unsere junge Dame plötzlich nicht mehr da, wir begegnen ihr nie wieder. Komisch. Seitdem wissen wir nicht mehr wohin mit unserem Nichts und fühlen uns, als hätten wir alle Ursache, um die Zukunft besorgt zu sein.

153. SAGT SIE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. Mai 2021

Sie sagt: Sie legt keinen Wert darauf, von uns verstanden zu werden.

Sie sagt eben, was sie denkt, sagt sie.

Und damit Schluß, sagt sie.

Damit wir Bescheid wissen, hat sie noch gesagt.

152. UNTERDIMENSIONIERT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. Mai 2021

Bei der wilden Hetzjagd nach immer neuen Kunden gibt eines Tages das überstrapazierte unterdimensionierte Dieselmotörchen unseres Untermittelklassendienstwägelchen seinen mickrigen Geist auf.

In der Reparaturwerkstatt äußern wir unseren Unmut über diese Angelegenheit und tragen ruhig und ernsthaft unsere Einsichten über die nachlassende Qualität als Auswirkung der Globalisierung vor.

Bei dem eilig darauf zur Verfügung gestellten Ersatzwagen mit dem guten Stern kommen wir uns als verehrungswürdige und fast erstaunliche Herren vor.

Unser Berufs- und Privatleben bekommt plötzlich Glanz. Zu schade, daß die globalisierungsbedingte kurze Reparaturarbeit diesem Glück vorzeitig ein Ende bereitete. Was hätte nicht alles aus uns werden können.

151. DER LINKE ZAPFHAHN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. Mai 2021

Der linke Zapfhahn in unserer Dorfskneipe bringt ein ziemlich klares Biergetränk hervor.

Wie nichts unglücklicher sein kann, als zu verdursten, so geht unsere ganze Sorge dahin, uns diesem harten Schicksal nicht auszusetzen.

Wir können also dieses Getränk, auch wenn man bei dessen Genuss dessen Geschmack nicht unbedingt zu Rate ziehen sollte, im Notfall recht gut trinken.

Dabei bringen wir auf unserem Gesicht möglichst viel edle Gesinnung zum Ausdruck.

150. SPECK, GÄNSEEIER UND ZITRONENGENEVER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. Mai 2021

Es ist schon traurig während eines Besuches der alten Heimat bei der Flußüberfahrt zum Geburtsort mit der Fähre Schiffbruch zu leiden, wo man als überzeugter Nichtschwimmer sich im nassen Element grundsätzlich nur nach dem festen Dasein sehnt.

Der genadenlose Fluß hat aber Erbarmen mit den Kindern aus dem von ihm zerklüfteten Nebelland und speit uns noch ziemlich lebendig ans Ufer aus.

Dort werden wir von einer alten Bauernfrau gefunden, die uns mit Speck, Gänseeier und Zitronengenever wieder auf die Beine bringt.

Wir fühlen, Heimat bleibt doch Heimat.

149. SANDALEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. April 2021

Durch das rohe Wirken unserer Umwelt fühlen wir wie zunehmend unser Selbstbewusstsein schwindet. Mit Interesse nehmen wir die Idee unserer Ehegattin auf, in ein renommiertes Institut für fernöstliche Kampftechniken einzutreten. Um unsere Eignung über alle Zweifel zu erheben, lassen wir gleich beim ersten Training unseren in 14 Jahren angestauten Missmut nach außen und springen den Trainer sofort an.

Uns wendend und duckend weichend springen wir bald in die Höhe, überschlagen uns in der Luft und kommen doch senkrecht bald wieder auf die Füße, bald auf die Hände zu stehen. Plötzlich springen wir wieder vor und strecken den Trainer mit einem gewaltigen Faustschlag nieder. Wir warten geduldig, es herrscht die spannungsvolle Ruhe einer gesteigerten Erwartung.

Wenn der Trainer wieder aufsteht, gibt er uns mit eindringlichen Fußtritten unter Begleitung der heftigsten Verfluchungen zu verstehen, wir sollen abhauen.

Wir kehren heim und biegen in die unseren Sandalen wohlbekannte verschattete Gasse ein. Kaum haben wir daheim durch leises Klingeln Einlass begehrt, werden wir schon aufgefordert, die Füße zu fegen und den Restmülleimer zu entleeren.

148. EIN PAAR BIERCHEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. April 2021

Damit die Wirrnis sich in unseren Köpfen legt, trinken unsere Freunde und wir gerne gemeinsam ein paar Bierchen in unserer Stammkneipe. Nach ein paar Freirunden oder so, sagen unsere Freunde, wir seien die heimlichen Herrscher dieses Planetens.

Diese Worte, die zweifellos einer guten und durchaus wahren Erkenntnis entspringen, verhallen jedoch in dem donnernden Echo, daß aus dem schwellenden Gang des Rädergetriebes einer globalen Weltwirtschaft bis in die entlegensten Winkel der Erde brüllt.  

Denn, am nächsten Tag haben wir als stellvertretende Unterabteilungsleiter für Reklame und Sonstiges weiter unseren Kleinkram auf der einfachen Dorfsbühne zu verrichten und die große Welt wartet vergeblich.

Wir meinen: wir sollten morgen noch einmal in unserer Stammkneipe versuchen.

147. EIN ZUFALL GENÜGT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12. April 2021

Unsere Lieblingsspelunke, Stätte orgiastischen Treibens, wo ewiges Rasseln und Tosen die Luft erfüllt, verschlingt ihre Opfer und speit sie im Zustand fieberhafter Delirien und Trunkenheit wieder aus.

Die eilig herbei gerufenen Taxen, gelenkt von Fahrern – Alkoholwracks – mit langen blonden Haaren, tolltaumelnd flatternd in der Schnelligkeit, versuchen die anderen Taxen zu überholen, deren Fahrer schon beim Starkbier Nummer sieben angelangt waren.

Ein Zufall genügt und Welten eröffnen sich. Der Nebel ist so dicht, dass man weder seinen Weg noch sich selbst darin findet.

Wir haben so das unbestimmte Gefühl, dass wir jetzt gleich, behaglich in unserem Sarg liegend, uns mit den unlösbaren Rätseln des Daseins zu bemüßigen haben werden.

146. BEKÜMMERNIS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. April 2021

– „ Meine Herren, Sie meinen wohl, wir wären blöd. „

– „ Nein, meine Damen. Aber wir können uns natürlich gewaltig irren. „

– „ Meine Herren, wir würden gern in eure Gedanken eintreten. „

– „ Sie verursachen uns Bekümmernis, meine Damen.

145. ABBUMMELN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 29. März 2021

Seit viereinhalb Monaten sind wir in der Überlegung, eine Mittelfristprognose zu erstellen.

Pünktlich um 14:45 Uhr nehmen wir die Verschiebung der Vorbereitung auf Morgen in Angriff.

Heute wollen wir mal, wie üblich, ausnahmsweise vorzeitig Feierabend zwecks Abbau von künftig zu leistenden Überstunden machen.

Die Affenschreie und misstönende Nashornvogellaute der Vorgesetzten sind uns, ehrlich gesagt, ziemlich scheißegal.

144. DA MÜSSEN WIR UNS ERSTMAL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. März 2021

Aufstrebende Jungmanager versuchen uns, Vorstandsvorsitzende, in letzter Zeit in Bedrängnis zu bringen. Aber wir wollen ihnen nicht den Gefallen tun.

Wir sind alte Wirtschaftswüstlinge. In der nächsten Mittelfristprognoserunde packen wir die Jüngelchen mit der Faust der überväterlichen Macht an: durch drei figürliche Betonschläge lassen wir ihnen den absackenden ROI  symbolisch ins Leib krachen. Einmal in die Brust, dann in die Flanke und schließlich in die Gedärme. Das muss langen.

Aber weit gefehlt: kaum zu Brei geschlagen, stehen die aufstrebende Jungmanager schon wieder vor uns: “Es scheint, dass ein dichter Nebel, eine namenlose Erstarrung, Eure Sinne betäubt. Eure unsicheren Tastversuche, die man im Halbdunkel einer unruhigen Zeit wahrzunehmen glaubt, sind doch nur die Vorzeichen einer nahenden Dämmerung, eines neuen Anfangs. Jahrelang eine fabelhafte Entfaltung, aber für Euch ist der schöpferische Schwung jetzt zu Ende.”

Da müssen wir uns erst mal breit hinsetzen. Wir sollten doch besser, so schnell wie möglich, in den Aufsichtsrat wechseln, glauben wir.

143. WEIBLICHE HÜHNERAUGEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. März 2021

Wir tanzen wild und unbeherrscht.

Blitze durchzucken unsere Seele.

Die weiblichen Hühneraugen haben jedoch ein treues Gedächtnis.

Wir sind noch immer Junggesellen.

142. NUN DAS SIND WIR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 8. März 2021

Unsere Mitarbeiter sitzen da und machen Excel-Tabellen.

Und unsere Sekretärinnen sitzen dort und tun nichts.

Und was wir uns auch strategisch überlegen, es kommt nur in Powerpoint etwas dabei raus.

Nun, das sind wir, das Globalisierungsteam.

140. INSEKTENMYRIADEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. Februar 2021

Widerstrebend fügen wir uns der milden Aufforderung der Ehefrau zu versuchen unserem Vorhaben, den überquellenden Restmülleimer zu entleeren, konkrete Gestalt zu geben.

Schon begeben wir uns zur Restmülltonne in den Vorgarten hinaus. Über uns wölbt sich die wohltuende Freiheit des Himmels. In raschen Gedanken ziehen die Betrachtungen an uns vorüber. Die kühle Luft des Abends fächelt leise in den buschigen Wedeln der Pappeln, in deren Kronen Insektenmyriaden ihr Nachtlied zirpen. Und dann … plötzlich, so meinen wir, ein erster Regentropfen. Ein Orkan kündigt sich an.

Eiligst ziehen wir uns in die schützenden vier Wände zurück. Nur mit Mühe können wir die Ehefrau davon abhalten, nicht zu versuchen, einen offensichtlich falschen Gedanken durch eine falsche Begründung noch falscher zu machen.

Selbstverständlich morgen früh –spätesten mittags- wird die Restmülleimerangelegenheit erledigt. Hoffentlich regnet es morgen Abend nicht wieder.

139. STRAßENHÄNDLER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. Februar 2021

In unserem Wohnort gibt es manche Straßenhändler ohne Migrationshintergrund, die überall Profit herausschlagen oder vielmehr uns offen betrügen wollen, als ob wir es nicht übelnehmen würden oder verhindern wollten.

Wir sind immer bestrebt dieses Mißverständnis aufzuklären. Dabei sind unsere Fäuste meistens so glücklich, die betreffenden Straßenhändler ohne Migrationshintergrund gnadenlos zu treffen. Die Wildheit ihrer Blicke und Bewegungen bringt ihre vollständige Unbekanntheit mit allem, was sie da beobachten, zum vollen Ausdruck.

Nun gibt es in unserem Wohnort auch die Straßenhändler mit Migrationshintergrund. Ob es hier auch welche gibt, die ebenso überall Profit herausschlagen oder vielmehr uns betrügen wollen, als ob wir es nicht übelnehmen würden oder verhindern wollten, wissen wir nicht. Wir wissen aber, es gibt welche, die schon heimlich im voraus das Geld aus unseren Taschen nehmen, sowie uns auch ihre Absicht verheimlichen, uns überhaupt keine Ware dafür liefern zu wollen.

So lange wir dies nicht gemerkt haben, nehmen wir ihnen dieses Mißverständnis nicht übel. Und wenn wir es gemerkt haben, nehmen wir es ihnen selbstverständlich auch nicht übel. Ihnen fehlt die Wildheit der Blicke und Bewegungen der Straßenhändler ohne Migrationshintergrund. Im Gegenteil, sie lachen viel. Man könnte sogar meinen, sie lachen uns … ach, lassen wir mal lieber.

138. SCHARFER BLICK

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 8. Februar 2021

Wo sind die Mädchen?

Wir wünschen es wünschen zu wissen, denn ihre Nähe würde uns beglücken.

Unser scharfer Blick sucht stundenlang die Umgebung ab.

Später finden wir unter dem Scheibenwischer unseres Untermittelklassewagens ein Knöllchen. 50 € für verbotenes Parken mit Verkehrsbehinderung.

137. HELDENHAFT

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 8. Februar 2021

Tagtäglich versuchen wir heldenhaft die Stimme unseres Magens zu beschwichtigen.

Unmöglich das allmorgendliche brüllende Gelächter unserer interaktiven Waage zu überhören.

136. ALS SIE PLÖTZLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 1. Februar 2021

Unsere Ansichten erlauben es nicht, Tätigkeiten durch zu führen, die mit Arbeit in Verbindung stehen. Die Zeit ist noch nicht reif für einen tiefgreifenden Wandel.

Nachdem wir in letzter Zeit tagtäglich von der Arbeitsagentur per E-Mail aufgefordert werden, Maxi-Jobs zum Mini-Gehalt anzunehmen, begeben wir uns zu unserer Betreuerin. Wo sie uns zu coachen beginnen will, sagen wir ihr gleich, daß wir von ihrem schlechten Betragen gehört haben und gekommen sind, dies zu untersuchen.

Wir züchtigen sie hart und bedächtig, als sie plötzlich schwärmerisch zu uns aufschaut.

Auch das noch: jetzt werden wir in Heiratsangelegenheiten verwickelt.

135. ZIEMLICH

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 1. Februar 2021

Ja, wir werden schon sehen, was wir sehen werden.

Was wir jetzt auf jeden Fall sehen, ist dass, die winterlichen Temperaturen dieses Jahr ziemlich unvorsommerlich ausfallen, um so zu sagen.

134. EXZENTRISCHE REGUNG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. Januar 2021

Wahrlich, sich mit Frauen auszukennen ist für uns Intellektuelle nicht so leicht.

Unter ihren Unterröcken bewegen sich rasch unsichtbare Geister, wenn wir sie im Arm halten. Ihr heißer Herzschlag fällt uns ins Blut, wie Gift.

Wir bekommen einen Schreck vor jeder exzentrischen Regung, die wir an uns bemerken.

Um unsere Beklommenheit zu ersticken, besuchen wir die königlichen Elefantenställe in unserem Geburtsort, in denen sich die ewig schaukelnden, dunklen Körper einiger hundert glücklicher Rüsselträger befinden.

133. JUNGMANAGER

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 25. Januar 2021

Hallo Ihr aufstrebende und nervende Jungmanager. Eigentlich lieben wir euch.

Wer aber ROI, MBO, IGLOW und KKDU nicht zu unterscheiden weiß, sollte sich erst in den Anfangsgründen des Missmanagements umsehen, ehe er sich herausnimmt, es mit uns aufzunehmen.

132. VIEL VERSTÄNDNIS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. Januar 2021

Wenn wir uns in unserer Stammkneipe mit unseren jungen Freunden treffen und einige Flaschen Jägermeister dabei haben, finden wir immer viel Verständnis für dieses Mitbringsel.

Sie fühlen sich wohl immer imstande, neben den vielen Bierchen auch einige Jägermeisterchen zu ertragen.

Dass sie dabei ab und zu einen grünlichen Anflug bekommen, stört uns nicht. Sie ebenso wenig.

Ach, diese Jugend.

131. BRUXELLES

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 18. Januar 2021

Im Vorruhestand versetzt, beschäftigen wir uns autodidaktisch mit fast allen Wissensgebieten.

Heute leben wir in Bruxelles.

130. STRENG WERDEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. Januar 2021

Das zuchtlose und lärmende Benehmen des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich läßt keine Neigung erkennen, uns zu schätzen oder freundlich zu behandeln.

Eines Tages geben wir ihm bekannt, dass wir es uns ab sofort zur festen Regel machen, ihn mit Güte zu behandeln, wenn sein Benehmen entsprechend sei, wir aber auch streng werden und ihn jederzeit soviel Hilfe, als er braucht und unsere Lage zuläßt, entbehren lassen können, sollte er es verdienen.

Seitdem rennt der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich äußerst verwirrt herum.

Um so mehr nachdem wir ihn noch vertrauensvoll gewarnt haben, dass bereits Wetten darauf abgeschlossen sind, dass er verloren sei.

129. UNGEHEUERLICH

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 11. Januar 2021

Gegen Abend sind in unserer Lieblingskneipe die noch Lebendigen ziemlich unlebendig.

Wir, die Toten, dafür ungeheuerlich untot.

128. IN EDLER FAULHEIT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. Januar 2021

Erschrecklich unternehmend sind wir nicht: in edler Faulheit verbringen wir meistens unsere Zeit mit bedeutungsvollem Schweigen und stehen dabei gerne gedankenlos an der Theke in der Dorfskneipe. Wir wissen uns dort gegenseitig Dank, dass keiner von uns mit Geschrei und Gewalt die abgemessenen Zirkel des befristeten Daseins des andern stört.

An jenem denkwürdigen Abend werden wir unversehens in einem Strudel von Äußerungslust hineingezogen und geben völlig unbedacht zu bedenken, dass es in diesen schwierigen Zeiten gilt alle Kräfte zusammenzuhalten und weitläufige Umgehungen zu vermeiden.

Seltsam. Diese sparsamen Worte, widerwillig hingebrockt, gehen einige unfreiwillige Zuhörerinnen ein. Schon fragt man uns, wer wir sind. Wir erklären noch, uns von jeglichem Zwang zur Stellungnahme frei zu fühlen, aber schon geht das Gerücht durch die Runde, dass Könige gesprochen haben.

Mit der Beschaulichkeit unseres Daseins ist es seitdem vorbei.

127. AUFFASSUNG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 4. Januar 2021

Wir sind für nichts als das Nichtstun auf die Welt gekommen. Das ist insgeheim schon immer unsere Auffassung gewesen.

Vielleicht haben wir doch zu wenig Ulrich Wickert gelesen.

126. NUN ZEIGE DOCH MAL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. Dezember 2020

– „Nun zeige doch mal euren Busen, oder seid ihr etwa verklemmt?“

– „Nein!“

– „Wußten wir doch!“

Die Sekretärinnen lachen zwar, aber gezeigt wird nichts. Von schlechten Launen geplagt, nehmen wir  die Belegschaft mit ungeheuerlicher Gewalt an.

125. FRÜHSTÜCK

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 28. Dezember 2020

Im verdienten Ruhestand nehmen wir uns für das Frühstück immer viel Zeit und lassen dabei gerne unsere Augen durch die morgensonnig durchblitzten, opalblaue Landschaft schweifen.

Und überlegen, wen wir heute denn mal so richtig ärgern können.

124. SCHWEINE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. Dezember 2020

Wir lieben die wildesten Lustbarkeiten.

Wir sind Schweine.

Aber gescheit.

Wir herrschen erst durch Liebe und dann durch Gewalt.

123. EINZIGARTIG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 21. Dezember 2020

Was uns so eigenartig macht, ist, dass wir so einzigartig sind.

Aber noch mehr, dass wir nur ein Gesäusel von augenverdreherischen Phrasen herausbekommen.

122. VIEL ZUSTIMMUNG UND ANTEILNAHME

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. Dezember 2020

Wir bringen zur Kenntnis, dass wir der Überzeugung sind, eine substantielle Gehaltserhöhung verdient zu haben.

Leider jedoch genügt unsere Überzeugung nicht, denn der Blick des Spartenleiters für Personal und Sonstige Probleme richtet sich lachlustig auf uns.

Erhebung ist unser Ziel gewesen, Enttäuschung wird die Erfüllung.

Seitdem verbringen wir des öfters die Abende in unserer Dachstube gemeinsam mit einigen solidarisierenden Kollegen. Wir schlürfen Champagne und beklagen uns alle bitter über unser elendes Schicksal. Dabei finden wir gegenseitig viel Zustimmung und Anteilnahme.

121. SCHMALSPURBAHN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 14. Dezember 2020

Im reifen Frührentenalter geraten wir unfreiwillig von der alten ehelichen Schmalspurbahn ab und verlieren uns in mehrgleisigen Verwicklungen im Bereich der jüngeren vollbusigen Nachbarschaft.

Zur Endstation werden wir es aber wohl nicht schaffen, befürchten wir.

120. GEBRAUCHT, GUTER ZUSTAND

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 von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. Dezember 2020

Wir vertreiben unsere Lebenszeit mit groß angelegten gesellschaftskritischen und weltwirtschaftlichen Überlegungen. Aber keiner, der zuhört.

 “Frankreich, die wunderbare Illusion” von Ulrich Wickert gekauft. Paperback. 0,47 € zzgl. 2,96 € Versandkosten bei Amazon. Sind schon bei Seite 11. Geht uns schon etwas besser.

Auch noch “Besser – Schneller – Schlanker : TQM-Konzepte in der Unternehmenspraxis” von Hartmut Mehdorn über eBay  gekauft. Gebraucht, guter Zustand. 1,31 € zzgl 2,49 € Versandkosten. Noch nicht angefangen, es zu lesen.

Es geht uns jetzt sehr gut. Macht uns überhaupt nichts mehr aus, dass keiner zuhört.

119. KETTENSÄGE

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 7. Dezember 2020

Am Sonntagmorgen werkeln wir immer an unserem Porsche-Wrack herum und lassen es dabei gerne auch mal ausgiebig aus dem Vergaser knallen und patschen, dass es nur so kracht.

In letzter Zeit werden wir jedoch durch das Aufheulen der nachbarlichen Kettensäge überantwortet. Ist vielleicht ein Arschloch, dieser Nachbar.

118. BACHIANISCHE ORGELMUSIK

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. November 2020

Durch lautes Klingeln begehrt die alte Nachbarin Einlass in unsere Dachstube. So was gibt es.

Aber alles eifrige Bemühen sollte nichts fruchten.

Der mystische Glauben an unsere eigene welthistorische Mission lässt keine Ablenkung zu. Wir drehen den Volumenregler unserer Musikanlage bis zum Anschlag, die bachianische Orgelmusik  macht jede Klingelgewalt zum Witz.

Abgezehrt, finster und bestaubt kehrt die alte Nachbarin heim. Uns wurde zugetragen, dass sie seit dem Vorfall häufig in Gotteshäusern anzutreffen ist.

117. BEEINDRUCKEND

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 30. November 2020

Wir sind etwas schüchtern und gehen morgens an der von den alten Dorfbewohnerinnen wimmelnden Theke beim Bäcker immer leer aus.

Bis wir mit unserem guten alten Megaphon auftauchen. Beeindruckend, die Menge Brötchen die wir seitdem heimbringen.

116. TAG DES LETZTEN GERICHTS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. November 2020

In einer schwülen Sommernacht schlagen aus einer Wohnsiedlung plötzlich Klänge an unser Ohr, die auf WDR 4 hindeuten.

Wir geraten in eine heftige Gemütsbewegung.

Mit dem Anheben zum Welthit „Put your Hemd on my shoulder“ holen wir zum großen feurigen Sturm auf die Seele des Volkes aus.

Unsere volle Stimme klingt in die Nacht hinein wie dunkel schwingendes Geläut und gemahnt an den Tag des Letzten Gerichts.

115. TAGESSTAMMTISCH

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 23. November 2020

Nach dem Gelage am Tagesstammtisch in unserer Lieblingsspelunke haben wir alle immer einige Mühe, uns gegenseitig auseinander zu halten.

Das Erinnerungsvermögen wacht aber auf, wenn der feinfühlige Wirt uns am Schluß die Getränkegesamtrechnung vorlegt.

114. GRÜNFLIMMERNDE DUNSTGESTALTEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. November 2020

Wir begegnen einem Mädchen, vom Scheitel bis zur Sohle eine Formvollendung.

Weltentrückt lächeln wir und fragen: „Dürfen wir hoffen, Sie liebes Mädchen?“

Maliziös führt sie aus: „Ganz recht, junger Mann, Sie dürfen. Kühle Bergwinde wehen heute, nicht?“  Dabei blickt sie durch uns hindurch, wie durch grünflimmernde Dunstgestalten. Und dann ist sie weg. Wir sehen sie nie wieder.

Unser wacher Geist erfasst sofort, dass ihre Worte vieldeutig sind, daß sie für uns schicksalsträchtig werden könnten. Seitdem sehen wir krank und grämlich aus und will uns das Leben keinen Anlass mehr für heitere Rück-, noch Vorblicke, bieten.

113. ELEMENTAR

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 16. November 2020

Wir wollen uns einem gottgefälligen Leben in freiwilligem Reichtum ergeben.

Elementar quillt unser Wunsch nach einer monumentalen Gehaltserhöhung hoch.

112. DER LÖWE IN UNS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. November 2020

Der Löwe in uns ist tot. Die ungeteilte Wahrheit über unsere Leiden und Elend wird nicht in unserem Tagebuch erzählt, sondern in unserer Brust verschlossen.

Der Leichengestank reizt uns, haftet uns künftig an. Butterreinfett, Zucker, Eier und Salz sind unsere Hauptspeisen.

Wir bedenken das eigene Ende. Wird man unser Herz am Flussufer vergraben, unseren Leichnam mit Salz einreiben und zum Stausee tragen?

Man wird ihn eher wohl in das nächste Gebüsch werfen, damit auch unsere zweifelhaften Freunde, die Hunde, etwas davon haben.

111. FRAUENGESCHICHTEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 9. November 2020

Wir versuchen die gähnende Leere unseres Frührentnerlebens mit Briefmarkensammeln und  Frauengeschichten auszufüllen. Haben aber noch viel Leerlauf.

Nehmen jetzt die Zwergkaninchenzucht hinzu. War so eine Idee unseres Lieblingspsychiaters.

103. KLEINES BIERCHEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 12. Oktober 2020

Ein kleines Bierchen hat uns aus unseren trockenen Überlegungen zum Thema Einkommensteuervermeidung gelockt.

Und uns gleich in die Falle der Biersteuerzahlung tappen lassen.

102. SHIMANO 11-GANG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. Oktober 2020

Schon immer waren wir gerne auf unserem Lasten e-Bike mit Shimano 11-Gang Nabenschaltung unterwegs.

Insbesondere dann, wenn die hupenden Feinde sich gerade im dichten Stadtverkehr von zu Hause zur Arbeit oder vice versa quälen.

So richtig Spaß macht es aber, seitdem die wilden e-Scooter-Freunde mitmischen.

Dass wir jetzt seitens des einfachen Fußvolkes anstatt begeisterter Zurufe nur noch hohläugige Blicke ernten, stimmt uns wohl etwas nachdenklich.

101. VERZWEIFELTE

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 5. Oktober 2020

In unserem Leben haben wir zweierlei Orientierung: unser Navi und unsere freie Phantasie.

Allenthalben huldigen uns Verzweifelte.

100. HUSTANFALL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. September 2020

Nicht gänzlich unwürdige Repräsentantinnen des vollbusigen Geschlechts wollen uns zwecks Heirat verführen.

Wir husten. Wir sind auch wirklich erkältet. Aber nur alleine deswegen ist es nicht immer zu verhindern, dass ein kleiner Hustanfall auch im rechten Augenblick kommt.

Aus unseren maßgeschneiderten Anzügen keucht es immer heftiger, wir geben uns schließlich rückhaltlos.

Sogar bei uns gibt es Mut, wenn’s darauf ankommt.

99. OHRFEIGEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 28. September 2020

Bei unserer Ankündigung, dass wir beabsichtigen, kurzfristig eine in der Form angemessene, jedoch in der Dimension nicht ganz unerhebliche Gehaltserhöhung zu fordern, knickt das stellvertretende Personaldirektorinchen sogleich zusammen und stürzt uns zu Füßen.

Milde heben wir es auf, verpassen ihm  aber als erzieherische Maßnahme zugleich auch schon mal einige leichte Ohrfeigen.

98. SCHNEIDIG EROBERND

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. September 2020

Wir haben so ein dunkles Vorgefühl: an irgendeinem undeutlichen Sommerabend im Jahre unseres Herrn Jesus Christus 2022 – am Vorabend der E-Mobilitätära  -werden wir – wie gewohnt – schneidig erobernd in das obere Fach unseres Kühlschrankes greifen.

Und dann sowas: es lässt sich dort kein letztes, einsames Bierchen mehr ergreifen.

Umgehend werden wir uns auf den langen, beschwerlichen Weg zur nächsten E-Tankstelle begeben.

Bei jedem Schritt wird sich aber unsere bange Vorahnung, dass wir dort nicht mehr die geschätzten Tankstellenrettungsbierchen aus der guten alten Verbrennungsmotorzeit, sondern nur noch Teebeutel in der Auswahl “Bio-Hagebutten”, “Vegan-Pfefferminz” und “ruhige Nacht to go” antreffen werden, zunehmend bemerkbar.  Um uns nicht dem harten Tee-Schicksalsrisiko auszusetzen werden wir dann schließlich vorzeitig umkehren und wieder den Heimweg antreten. Jener Abend wird nicht schön werden, aber zumindest erträglich.

97. KURZFRISTIG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 21. September 2020

Im jungen Frührentenalter geben wir bekannt, dass wir zwecks Aufrechterhaltung eines aufwendigen Lebensstils kurzfristig durchgreifende Versuche in der Richtung von Tätigkeiten, die mit Arbeit zu tun haben, zu machen gewollt sind.

Damit leiten wir in sämtlichen, sich im Umkreis befindlichen Arbeitsvermittlungsagenturen und Rentenanstalten eine Zeit allgemeiner Verwirrung ein.

96. BILDER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. September 2020

Es war einmal, da waren wir noch jung. Wir malten Bilder – einfach so.

Es wurde aber gedacht, wir seien Künstler. Und es wurde gefragt, was wir mit unseren Bildern denn ausdrücken wollen.

Da gaben wir unseren Bildern einen Titel. Und es wurde gefragt, was wir denn mit dem Titel ausdrücken wollen.

Ja. Jetzt, im reifen Frührentenalter, malen wir nur noch Bilder mit dem Titel “o.T”. Und so lange wir noch nicht gestorben sind, werden wir sehr glücklich leben und noch viele Bilder malen.

95. POTENTIAL

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 14. September 2020

Wir sind spontan und unverkrampft. Gerne lassen wir zu, dass das ruhende Potential unseres Lebens sich durch dessen freien Lauf selbst energetisch öffnet.

Und ein bisschen Chaos hat noch nie geschadet.

94. WIR HABEN DURST

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. September 2020

Aufgepeitscht springen wir nachts aus dem Bett; der Morgen bricht schon an.

Wir haben Durst und trinken ein Bierchen.

“Möge dieses Bierchen heute nicht genügen”, denken wir hoffnungsvoll.

Daraufhin müssen wir wohl wieder beruhigt eingeschlafen sein, wie der Wecker uns später verrät.

93. SINNVERWIRREND

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 7. September 2020

Die müde Welt unseres täglichen Stammtischdaseins wird nur von den sinnverwirrend durcheinander huschenden Kellnern belebt, die sich bemühen mit ihren Serviertabletts die Bierchen, die wir uns imstande fühlen zu ertragen, herbeizuschaffen.

Wir sind immer froh, dass der Tag wieder einmal zu Ende gegangen ist und wir uns unseren mühsamen Weg nach Hause bahnen können.

92. SOMMERNACHT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 31. August 2020

Es ist eine schwüle Sommernacht.

Im Bierzelt tobt die Volksmusikantenfrontfrau mit der eigenen Stimme und einer 15-köpfigen Schlagertruppe; einer elektronischen Ziehharmonika mit unsynchronen Schieberegistern werden vom Stargastmusikanten synkopierte Kathedralorgeltöne entlockt.

Musikalische Anspannungen bauen sich auf, deren Entladung uns, noch bevor wir besoffen sind, in die dunkle Nacht hinaustorkeln lassen. Dort rollt hinter den Wolken schon der Donner, bisweilen leuchtet Blitzgeäst auf. Es wird ein kafkaeskes Unwetter geboren.

Seit jener schwülen Sommernacht haben wir die Last eines trüben Gemütes zu tragen.

91. LAUTLOS

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 31. August 2020

In unserer 7-Zimmer-Penthouse-Wohnung wandeln wir mit unserer halbvollschlanken Gestalt lautlos auf unseren Espadrilles mit Sisalsohle von einem Zimmer zum anderen. Wenn wir durch die eine Tür zur umlaufenden Terrasse hinausgehen, so geschieht dies nur um etwas später durch die andere Tür wieder hereinzukommen.

Wir sind reich und glücklich und leiden nicht unter großen Passionen.

90. HINWEISE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. August 2020

Im reifen Frührentenalter lieben wir es, im Brennpunkt unseres Familienherumgewurschtels salbungsvolle Hinweise auf die eigene Liebenswürdigkeit zu geben.

Dabei erfreuen wir uns immer großen Zuspruchs seitens unseres guten alten Dackels.

Denn der weiß schon, daß wir mal wieder zum Gassi-Gehen mit ihm rausgeschickt werden und er dabei weitere salbungsvolle Hinweise von uns zu Gehör bekommt.

Ja, diese Tierchen sind auch nicht blöd.

89. KINDERMÄDCHEN

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 24. August 2020

Wir leben schlicht.

Halten noch nicht einmal ein Kindermädchen.

88. WASSERMELONEN UND HOLLANDTOMATEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. August 2020

Schweine müssen schwimmen lernen, damit in Belgienland die Wassermelonen und die Hollandtomaten nicht aussterben.

So sprechen wir. Durch das Exaltierte unserer Prinzipien fallen wir den Königen sehr unangenehm auf.

Wir erklären ihnen noch, keinen anderen Umgang mehr mit ihnen pflegen zu wollen als über die Polizei und fordern gleichzeitig das Einschreiten der Regierung in alle Angelegenheiten, die täglichen Schwierigkeiten mit der Ehefrau und der Nachbarin nicht ausgenommen.

Wenn auch das nichts bewirkt, wandern wir nach Usbekistan aus. An Gepäck nehmen wir so wenig wie möglich mit, bloß zwei paar Pistolen, eine Vorteilspackung Kondome und einige andere Kleinigkeiten. Sollen diese Könige doch sehen, wie sie mit den von uns zurückgelassenen Problemgegenständen fertigwerden.

87. SOMMERTAG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 17. August 2020


An einem schönen Sommertag im Jahre unseres Herrn Jesus Christus 2020 betreten wir – großflächig untättowiert und die  abstehenden Körperteile völlig unberingt – den freien Boden der städtischen Badeanstallt und spüren die Blicke der Badegäste als zehrendes Feuer im Rücken.

Sofort fühlen wir uns heimisch an diesem Ort und wollen uns dort jetzt häufiger der allgemeinen schweigenden Betrachtung überlassen.

84. BIO-DOPPELWANDVEGANPAPPBECHER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. August 2020

Und es hätte so ein herrlicher Sommer werden können …

Mit einem braunen Bio-Doppelwandveganpappbecher Coffee To Go in der einen und dem Handy in der anderen Hand haben wir gerade Starbucks verlassen und streunen jetzt abenteuerlich beschwingt durch die sonnigen Straßen der großen Stadt.

Und dann ein winziger Moment von Unkonzentriertheit. Da schlucken wir schon das Handy herunter und verbrühen uns wenig später beim Whatsappen die Fingerkuppen am heißen Kaffee.

Ehrlich: Coffee To Go von Starbucks – und überhaupt … das ist doch nichts.

83. ERÖRTERUNG

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 3. August 2020

Wir finden es nicht leicht, eine ernsthafte Erörterung mit unseren komischen Artgenossen zu pflegen.

Insbesondere, wenn diese nicht unserer Meinung sind.

82. BITTERLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Juli 2020

Der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich möchte sein bisher ausschließlich für interne Repräsentationszwecke genutztes Dienstfahrzeug der abgehobenen Mittelklasse jetzt auch nach außen für den Nutzen des Weltkonzerns einsetzen.

Leider zeigt sich das Kundenvolk wenig kooperativ diesem Bestreben des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich zu entsprechen.

Bei den Terminierungsversuchen der Sekretärin fällt es durch auffälliges Ausweich-, ja sogar Ignoranzverhalten, auf. Bei unangemeldeten Vorfahrversuchen zeigen sich die außenweltlichen Pförtner äußert unwillig und zum Teil rabiat.

Auf der Rückfahrt zur Zentrale seines Weltkonzerns weint der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich bei Tempo 200 bitterlich. Schritt für Schritt muss er in seinen Hoffnungen zurückweichen und sich künftig wieder tagtäglich mit dem negativen ROI und den ausgereizten  Kostensenkungspotentialen auseinandersetzen.

79. RANDEXISTENZ

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von P. OPVEA in “Klarstellungen von unterhalb der Hinterbank”

Montag, den 20. Juli 2020

In unserer Lieblingsspelunke trinken wir mit den blonden vollbusigen Rumhängerinnen um die Wette und wiederholen dies so oft, dass wir am Ende immer – eher als sie – den Schlaf mehr als das Trinken brauchen.

Wir werden es wohl nie schaffen, unserer Randexistenz zu einer eigenwilligen Präsenz in der Gefühlswelt dieses merkwürdigen Menschenschlags zu verhelfen.