AuthorCarolus Borromeus

288. WINTERLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25.Dezember 2023

Bei unserem winterlichen Besuch der Arbeitsagentur heben wir zu unserer diesmaligen Erklärung an, dass äußerliche Kälte, innere  Mattigkeit, jedoch vor allem Zeitmangel unserer Arbeitslust hinderlich im Wege stehen.

Dem zuständigen Sachbearbeiterinchen scheint aber schon gleich zur Beginn das Wesentliche unserer Ausführungen zu entgehen, den sie will uns diesmal sofort einen Posten als stellvertretende Geschäftsführer eines Weltkonzerns andrehen.

Wir sagen ihr, dass wir ihr nicht verheimlichen wollen, dass unser Wille der Schwierigkeit dieser Aufgabe gewachsen sei und dass wir bereit sind, ein feierliches Gelöbnis abzulegen und nicht eher unsere Bemühungen einstellen zu wollen, als bis wir vollkommen erschöpft zusammenbrächen. Alsdann hofften wir, die Arbeitsagentur würde so großmütig sein, sich um unser Begräbnis zu kümmern und unsere untröstlichen Familien zu benachrichtigen.

Hierauf beginnt das Sachbearbeiterinchen herzzerreißend zu weinen und zeigt nervöse Zuckungen. Soeben noch von Traurigkeit umfangen schickt sie uns plötzlich jählings hysterisch aufbrüllend in die klirrende Kälte hinaus. Ja, diese jungen Dinge: viel tun die auch nicht für einen.

287. VERLIEBTHEIT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18.Dezember 2023

Wir sind mittelalt und brüten noch einmal Verliebtheit. Was für ein Gefühl.

Zur Absicherung  leiten wir gleich eine nähere Bekanntschaft mit der zukünftigen Schwiegermutter ein.

Bei der Angebetenen ist dies wohl nicht so gut angekommen, wie uns wortlos durch Tritte in den Hinterbacken zur Kenntnis gebracht wird.

Ach, mit diesen jungen Dingen, das ist doch nichts. Machen wir eben mit der Schwiegermutter weiter.

286. UNBELIEBT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11.Dezember 2023

Wir sind unbeliebt und haben Geld, viel zu viel Geld. Immer neue Geldmassen werden aus Erbschaften herangeschleudert.

Wir gehen ins Kasino und peitschen unsere Euros als türkische Lira ins Spiel.

Aber auch dieses kleine Mittel der Geldverdünnung hilft nicht: wir gewinnen pausenlos – Euros versteht sich – um so mehr.

Uns huldigen nur noch die Einkommensteuersachbearbeiterinchen.

285. CO2-ALLTAG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4.Dezember 2023

Wir sind Kohlehändler und waren einmal jung und idealistisch.

Heute, im CO2-Alltag, sitzen wir vergrämt in unserer von einem einzelnen mit Ökostrom gespeisten LED-Glühbirne beleuchteten Arbeitsspelunke Tag ein Tag aus auf unserem alten, verkohlenstaubten Bürostuhl. 

Immer wieder werfen wir uns auf den Boden, drücken unser Ohr gegen die harte Erde und lauschen, ob etwa in der Ferne die Tritte eines Kunden verklingen. Aber nichts. Nur eisige Stille. Und der Winter rückt immer näher.

Wieder auf unserem Bürostuhl, lehnen wir uns zurück und blicken hilflos hinauf. Krampfhaft müssen wir mit den Händen unsere Knien umschlingen, damit wir nicht andauernd  nach hinten umfallen beim Aufblicken.

284. BETRIEBSFRÜHRENTE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27.November 2023

Jahrelang sind  wir mit unserem Welthandelsunternehmen in den Wogen der Weltwirtschaftskrise geschwommen.

Unser Drang zum Großartigen, der alles aus dem vollen schöpft, weitblickend immer nur mit großen Mitteln arbeitet, konnte jedoch den trägen und langsam sinkenden Tanker nicht mehr die benötigte Schubkraft geben.

Rechtzeitig noch, sind wir von Bord in das selige Meer der Betriebsfrührente gesprungen.

Wir sehen die Welt inzwischen wieder mit sehr idealen Augen.

283. GLÄSCHEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20.November 2023

Warum zeigt sich uns seit unserem Umzug nach Daknam kein blühendes, junges Mädchenvolk mehr?

Liegt es vielleicht an Daknam? Ja, Daknam, Daknam. Wissen wir. Aber Klein-Sinaai ist auch nicht besser, wurde uns gesagt. Und Sint-Gilles und Stekene.  Ach, lass doch. Diese Mädchen …

Wo das Geistige verstummt und das Leben wie zu Ewigkeit erstarrt, hat es sein eigenes Dasein am reinsten vernommen und die Welt wie in einem keuschen Inbegriff empfangen.

Herr, erbarme dich über uns und lasset zu, dass wir in unserem Daknam keine Gelegenheit auslassen werden, ein Gläschen Bescheid zu tun.

282. HALLI, HALLO

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13.November 2023

Sie liebe Arbeitsagentur, in der ehrlichen Absicht eurem Unglück ein Ende zu bereiten, rufen wir euch ein aufmunterndes „Halli, Hallo!“ zu.

Und doch, Sie freuen sich nicht. Dennoch, wir lieben Sie, ehrlich.

Aber uns fehlt es an einem Brennpunkt für das Wollen.  Weiter sehen wir uns aufgrund schlechten Erfahrungen leider in der Lage versetzt, keine moralische Verpflichtung mehr anerkennen zu können. Und uns von euch in die Seele greifen zu lassen oder uns aus dem Trüb der Unentschiedenheit hochreißen zu wollen, das geht nun wirklich doch zu weit.

Ist es dann echt so schwierig, hinzunehmen, dass wir so gut wie gar nicht vorhanden sind?

281. BEEFSTEAKFARBIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6.November 2023

Mit dem stellvertretenden Personaldirektor unterhalten wir uns schon seit Jahrzehnten über das anciennitätsbegründete Recht auf eine bestimmte Bürofensterzahl recht gut.

So richtig zielführend sind bis Dato diese Gespräche dennoch nicht gewesen, wie eindringlich und lauthals unser kahles, beefsteakfarbiges und fensterloses Büro mit Leichengeruch im Kellergeschoß bezeugt.

Wenn wir nun doch dem stellvertretenden Personaldirektor etwas Neues sagen sollen, dessen Begründung sich auch vor einem größeren Kreis entwickeln ließe, so möchten wir uns erlauben, etwas anderes herauszugreifen, was wir bisher vielleicht zu sehr im Hintergrund belassen haben, obwohl es nicht minder wichtig, ja – wenn es erlaubt ist, persönlich zu urteilen – am Ende vielleicht das Wichtigste ist: wir möchten eigentlich auch  eine epochale Gehaltserhöhung. Versteht er aber nicht, sagt der stellvertretende Personaldirektor.

Was für ein Trottel! Kein Wunder, dass das auch mit der Bürofensterzahl noch immer nichts geworden ist.

280. SCHLUSSBETRACHTUNG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30.Oktober 2023

Zwecks Aufrechterhaltung unseres aufwendigen Lebensstils, brauchen wir mehr Geld.

Wir meinen, dies ist eine Tatsache – genau so wie unser diesen Umstand begleitendes  Bedürfnis zu einer Gehaltserhöhung – die wohl nicht weiter zu begründen sei.

Jedoch, wenn man dann die magere Schlussbetrachtung seiner Aktennotiz liest, so fragen wir uns, ob der stellvertretende Personaldirektor unseres Weltkonzerns eine tiefere Erfassung dieser Tatsache erstrebt hat – oder vielmehr noch, überhaupt dazu in der Lage ist.

So ein Trottel. Aber wird sind wohl die Leidtragenden.

279. RADFAHRER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23.Oktober 2023

Wir sind rachsüchtig, rücksichtlos und rabiat.

Und ansonsten überzeugte  Radfahrer.

Durch das ständige Ankämpfen gegen den erbarmungslosen Gegenwind atmen wir immer mit offenem Mund möglichst viele giftigen Autoverkehrsmolekülen in die tiefsten Winkel unserer Lungen ein.

Und lassen damit angereichert im nachhinein umso heftiger unser Gekeife auf die ganze nicht-fahrradischen Welt los. 

278. TAXI

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16.Oktober 2023

Wir lassen uns mit dem Taxi nach Hause bringen.

Komisch: im Taxi sitzen noch andere Gäste, blitzblau natürlich.

Auch der Taxifahrer ist komplett illyrisch zu.

Sogar das Taxi brummt ein Lied, vielleicht ist es auch besoffen … sicherlich ist es besoffen.

277. REISELEBEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9.Oktober 2023

Was sollen wir in Kruibeke? Die Welt ist weit und wir meinen: alle haben ein Recht auf uns. So beginnen wir unser Reiseleben.

Erste Station ist Sint-Niklaas. Dies ist die Hauptstadt des Waaslandes, obwohl dies keiner so richtig weiß. Ferner geht es Richtung Klein-Sinaai. Hier aber weiß jedermann, dass dies nicht die Hauptstadt des Waaslandes ist. Ist auch gut so.

Und es geht immer weiter, wie z.B. Richtung Daknam und Stekene. Auch Sint-Gilles bleibt nicht verschont.

Aber dann geht es nach Nantucket. Und dort bleiben wir. Auch wenn man uns das in  Rupelmonde, die heimliche Hauptstadt des Waaslandes, nie verzeihen wird.

276. GEWURSCHTEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2.Oktober 2023

Ja, Daknam.

Liegt da irgendwo, diese Gegend, und ist nicht gerade ein Paradies.

Da oben ist Sonne – dort unten nur Gewurschtel.

Hier gewähren die Mädchen, wenn man nicht darum bittet und wollen gerade dann mit einem in die Sonne reiten.

275. FRÜHRENTNER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25.September 2023

Als Frührentner sind wir gereift, endlich großjährig geworden, abgeklärt.

Die Arbeit war nur Vorbereitung zum Leben. Wir werfen sie entschlossen hinter uns. Vor allem: fort mit der ewigen Rechtfertigerei und  den Excel-Tabellen.

Jetzt raffen wir uns  selbst. Welch ein Energie des Wesens. Wir sind großzügig, wenn wir gewinnen, jovial herablassend, wenn wir verlieren. Unablässig arbeiten wir an der Hebung unseres Bewusstseins.

Je größer die Schweinerei, um so lieber.

274. BEMERKBAR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18.September 2023

Das Arbeitsamt macht sich bemerkbar.

Die Tätigkeitsaufforderung kommt nicht aus dem umliegenden Bereich.

Sie kommt von ferner her.

Da sie aber trotzdem vernehmbar ist, muss sie sehr dringlich sein.

273. NACKTHEIT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11.September 2023

Voller Lust an der Nacktheit in der zärtlichen, windsingenden Abendfülle einer Sommernacht fahren wir in Wesseling zum Rheinufer runter.

Beschwingt werfen wir die Kleider von uns und schreiten dem Rhein zu.

Wenig später ist die Polizei schon da, und gibt uns Knöllchen wegen unerlaubten Mühlabladens und  Parken ohne Berechtigung.

Vorbei die Romantik, jetzt kommt Pfadfinderstimmung auf.

272. SCHWEINE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4.September 2023

Es war einmal, da wollten wir reichen werden.

Wir kauften Optionsschweine.

Heute, drei Monate später, ist der ganze Gewinn unserer Investition der Verlust von 13.271 €.

Diese Schweine.

271. KARDINALFEHLER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. August 2023

Zu seinen Ausführungen, dass wir zu einer Gehaltserhöhung weder befähigt, noch berechtigt sind, geben wir dem stellvertretenden Personalleiter bekannt, dass er dabei ist, einen Kardinalfehler zu machen.

Denn, das Bild, das man sich unabhängig von den Quellen macht, wird zwangsläufig auch von den Tatsachen unabhängig ausfallen und überhaupt nicht zur sittlichen Verwertung seiner, noch unserer Ideen beitragen können.

Mit diesen Gedankengängen haben wir den stellvertretenden Personalleiter offensichtlich wohl überfordert, denn kurz danach verkündet er, als Laienprediger für Armut und Bescheidenheit in Zaandam tätig werden zu wollen.

Wie wir aus zuverlässiger Quelle hören, ist er aber mit dieser Aufgabe auch nicht fertig geworden und lässt sich dort lieber auf Frauengeschichten ein.

270. JUBILIEREND

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. August 2023

Wir geben bekannt, dass wir eine Gehaltserhöhung verdient haben.

Der stellvertretende Personaldirektor jedoch leugnet unsere Deutung.

Hätte er Recht, so hätte er Recht. Aber wir meinen, er hat nicht Recht. Wo wir ihm erklären, dass wir beabsichtigen, uns selbst stellvertretend als seinen Stellvertreter  aufzumachen, um unser indirekter eigener Gesandter in Sachen Gehaltserhöhung zu werden, beginnt er bitterlich zu weinen.

Wenige Tage später ist er schon in Amsterdam als Laienprediger  unterwegs und verkündet dort laut jubilierend seine Lehre über das Glück der Arme. Aber auch keiner dort, der zuhört.

269. DENKART

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. August 2023

Wir sind für nichts als das Nichtstun auf die Welt gekommen. Das ist insgeheim schon immer unsere Denkart gewesen.

Regelmäßig stellen wir unser anklagendes Gewissen als Zeuge gegen uns selbst auf, finden uns nie in irgendetwas vor uns versündigt.

Wir sind nur unsere Zeit  etwas zu sehr vorausgeeilt. In wenigen Jahren schon wird aber das, was wir gedacht und erstrebt haben, im Einklang mit der Wirklichkeit stehen und das Leben der Menschheit neu gestalten.

Vorausgesetzt es gibt auch dann noch genug Dummköpfe, die sich für die anderen abrackern.

268. TROTTEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. August 2023

Uns ist zu Ohren gekommen, dass man uns gemeinhin Trottel nennt. 

Und dass, wo wir hin und wieder die belgische Nationalhymne vor uns aus herauspräludieren.

Oder ist es deswegen?

Ja, belgische Nationalhymne – schön und gut. Aber was ist dann mit diesem belgischen König? Immer wieder dieser belgische König, als wäre man im alten Usbekistan, wo alles dem Khan als Abkömmling des Paradieses zugeschrieben werden muß.

267. FRÜHRENTEGEDANKEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 31. Juli 2023

Wir haben unserem Schicksal die Beschäftigung mit den Frührentegedanken anvertraut und wandern proaktiv nach Zeveneken aus. An Gepäck nehmen wir so wenig wie möglich mit, bloß zwei paar Pistolen, eine Vorteilspackung Kondome und einige andere Kleinigkeiten.

In Zeveneken hat man wohl nicht mit uns gerechnet, wie das nicht Erscheinen der aufstrebenden Jungmanagern und  des vollbusigen Menschenschlags uns belehrt. Und in Zeveneken wird sowieso viel geschimpft. Insbesondere über die Restmülleimer, die  tagtäglich vergeblich zur Abholung an den gegenüberliegenden  Straßenrand rauszustellen sind. 

Wenn wir das alles bloß gewusst hätten. Wir wären nicht nach Zeveneken ausgewandert, sondern in Daknam geblieben. Ja, Daknam, Daknam… Aber Daknam ist auch nicht besser.

Ach, machen wir jetzt erstmal Urlaub in Klein-Sinaai. Es kann hoffentlich nur noch schlimmer werden. Ja, und wie kommt man eigentlich nach Klein-Sinaai? Könnte uns das vielleicht jemand sagen, ja?

266. STREITEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. Juli 2023

Wir nennen ihn einen Idioten, was  unser lieber Nachbar wenig glücklich findet.

Darüber wollen wir aber mit dem lieben Nachbar nicht streiten.

Dennoch muss hier leider doch festgestellt werden: was der liebe Nachbar selbst über uns sagt, scheint uns aber auch nicht eben glücklich.

Damit dies auch mal gesagt sei.

265. VERSTAND

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. Juli 2023

Wir sind groß von Statur, sprechen kaum hörbar und sehr langsam. Unser Verstand ist nicht eben groß.

Nie finden wir eine Gelegenheit, uns öffentlich über die eigene Empfindung des innerlich Ungenügenden auszusprechen.

Wir schreiben für uns selbst unmelodische Gedichte ohne Satzzeichen.

Man kann uns nur wahrnehmen, wenn man uns bis auf unsere Lebenswurzeln hin scharf belichtet.

264. KERZEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. Juli 2023

In unserem 34. Lebensjahr kommen wir zu der Erkenntnis, dass Arbeit kein Vergnügen ist.

Mittels eines Emails in der Schriftgröße 78 tun wir dies gleich der Rentenanstalt  lauthals kund.

Für den für uns zuständigen Sachbearbeiter bricht eine Zeit allgemeiner Verwirrung voller banger Vorahnung an.

Uns wird erzählt, dass er nach Feierabend immer häufiger in Gotteshäusern anzutreffen ist und dort viele Kerzen anzündet.

263. LIEBEVOLL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. Juli 2023

Der Unfleiß als Übung jenseits von Zielen ist unsere Lebensform.

Wir sind doch keine Schweine, die einen ganzen Acker zerwühlen, wenn sie sich nach einer einzigen Wurzel gelüsten.

Wir sind wie die edlen Löwen: wir schlagen, wenn es uns hungert.

Aber noch lieber hätten wir, wenn sich das Sozialamt uns liebevoll annimmt.

262. GEHEIMNISVOLLE ERWARTUNG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. Juni 2023

Hinter seinem Schreibtisch hockt der dickbäuchige, segenspendende Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich.

Geheimnisvolle Erwartung liegt in dem von Klimaanlagen durchwehten Büro, dessen dunkel gestrichene Wände in der Farbe eines Beefsteaks etwas zur Beunruhigung beitragen. Plötzlich füllt sich das Gewölbe der Räumlichkeit mit düsterer Schwere, die mit furchtbarer Gewalt auf uns niederberstet.

Der Gesamtspartenleiter teilt uns einen Umstand mit, der ihn daran hindern könnte, uns für das kommende Geschäftsjahr eine Gehaltserhöhung zu geben. Es hat mit fehlenden Gewinnen zu tun. “Könnte”, sagt er noch einmal betont, “noch ist aber nichts entschieden.” Wir denken, gleich kommt das mit der Verantwortung, als wir ihn schon sagen hören: “Wir möchten Ihnen mehr Verantwortung übertragen. Sind Sie dazu bereit?”

Wir lächeln kindisch, und nicken ja. Beim Verlassen seines Büros nicken wir noch immer. Wir meinen, dass aus der Richtung des Schreibtisches Gelächter zu hören war.

261. GESETZT DEN FALL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. Juni 2023

Seit Jahrzehnten bringt der stellvertretende Personaldirektor es tagtäglich fertig, uns gegenüber mit keinem Wort über die uns zustehende Gehaltserhöhung zu reden. Will er einwenden, dass die uns zustehende Gehaltserhöhung nicht zu seinem Thema gehört, so möchten wir ihm heute eindringlich eine Frage vorlegen: Gesetzt den Fall, die uns zustehende Gehaltserhöhung gehöre wirklich nicht zu seinem Thema, wäre es dann wirklich so schlimm zu mindestens über unsere Verdienste zu reden?

Wir fragen ihn weiter: Stört ihn nicht sein Mangel an psychologischer Einfühlung, den er damit verrät, dass er bei seinen allfeierabendlichen Saufgelagen mit den Vertreterinnen der vollbusigen Geschlechtes mit keinem Wort über unser berechtigtes Anliegen redet, wo Ihm doch bekannt sein muss, dass wir ein ärmliches und bettelhaftes Leben führen und uns noch nicht mal ein Kindermädchen für die künftige Familie leisten können?

Und wir sagen ihm weiter: Es hilft jetzt keine Ausrede mehr.  Wir streichen ihm jegliche Negativjustifikationsberechtigung aus dem Repertoire und sagen uns seiner gehaltserhöhungsfeindlichen Politik los. Wir werden nicht mehr zulassen, dass unsere vergeblich erträumte Gehaltserhöhung ihn in seinem Schattenreich noch wohlhabender macht.

Und dann sowas: eines Tages proklamierte er sich jetzt feierlich als Voll-Frührentner und kündigt dabei sein Auswanderung nach Usbekistan in Sehnsucht nach der verlorenen Einsamkeit an. Wir beschließen, uns in unserem Bart zurückzuziehen und künftig die Menschheit mit einer ebenso eifrigen als erbosten Miene anzusehen. Mit unserem Aussehen aber ein Leichtes.

260. MIT FEUCHTIGKEIT GESÄTTIGTE LUFT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12. Juni 2023

An einem undeutlichen, schwülen Abend, irgendwann in einem August, streunen wir abenteuerlich beschwingt durch die dunklen Gassen unseres Heimatdorfes.

Dunkle Augen potentiellen Lebensabschnittsgefährtinnen blicken uns plötzlich eindringlich an. Ihr Atem dampft vor Sinnlichkeit.

Ein bleicher Schreck befällt uns. Die niederdrückende, mit Feuchtigkeit gesättigte Luft, lastet drückend auf unseren Schultern. Wir überlegen, wie seit zweihundert Jahren nicht mehr.

Als uns schließlich wieder einfällt, dass wir eigentlich verheiratet sind und eine durchaus liebe Ehefrau haben. Das war aber verdammt knapp.

259. UNSER HINTERTEIL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. Juni 2023

Mit rasender Geschwindigkeit donnern wir auf unserem E-Bike über das heimatliche Kopfsteinpflaster. Unser Haar flattert, unser Hinterteil ist rund, nervig und gespannt.

Die Chancen, dass wir bald an unsere Stammkneipe ankommen und unseren berechtigten Wunsch ein kühles Bierchen zu genießen, nachgehen können, stehen gut.

Und dann so was: in einer Kurve, scharf wegen der mangelnden Gradzahl, rutschen wir aus und stürzen wuchtig zu Boden.

Alles gebrochen: unser Fahrrad, auch unsere Knochen. Nur der Wille nicht. Fahren wir künftig eben mit dem E-Auto zur Stammkneipe.

258. DIE HUPENDEN FEINDE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 29. Mai 2023

Auf unserem mit Ökostrom geladenen E-Bike fahren wir an der Spitze eines wild über die ganze Fahrspurbreite der Landstraße ausscherenden Heeres von radelnden Mitkämpfern.

Von den hupenden Feinden hinter uns kommt keiner an uns vorbei. Und wie sie hupen! Meisterhaft, wie manche von Strophe zu Strophe ihren Gefühle  gesteigerten Ausdruck geben, um schließlich mit einer sentenziösen Wendung regelrecht zu explodieren.  Andere geben sich nicht unmittelbar, sondern entschieden reflektiert. Sie sind aber ebenso wenig steif und spröde in Ausdruck, sondern das Gegenteil davon: ihr Gehupe ist frei und reich, von üppiger Fülle und Ungebundenheit. Und manche scheinen uns mit schrägen Tönen irgendwelche Kirchenlieder vorpräludieren zu wollen. Wir amüsieren uns köstlich.

Und dann so etwas: Batterie platt, Reifen platt und jetzt setzt auch noch Regen ein.

Komisch: das Gehupe der an uns vorbei zischenden Feinde, schlägt uns jetzt wie Sturmgeheul ans Ohr.

257. UNSER NACH GELD SCHREIENDER LEBENSWANDEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. Mai 2023

Schon seit der Kindheit lässt unser nach Geld schreiender Lebenswandel uns keine Ruhe.

Tagtäglich fragen wir uns, was wir wohl machen werden, wenn weiterhin das Erbrecht seine traurige Rolle spielt.

“Ja, zum Teufel”, rufen wir es auch heute wieder heraus, “was werden wir wohl machen? Sollen wir denn einer Arbeit nachgehen – mehr aus Gewohnheit als aus Einsicht? Oder sollen wir uns mit dem Status eines künftigen, potentiellen Lotto-Millionärs anfreunden und uns wöchentlich über Lottoschein-Abgabeterminen mit sämtlichen örtlichen Lottoannahmestelleninhabererinchen abplagen? Oder sollen wir vielleicht durch heimliches Kappen des alljährlichen Weihnachtsbaumes in den umliegenden Wäldern, unsere Ausgaben beschneiden?”

Fragen über Fragen und keine Antworte. Komm, wir überlegen noch etwas und schauen morgen weiter.

256. KLEINLICH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. Mai 2023

Wir sind kleinlich.

Respekt beschaffen wir uns durch Wutausbrüche – auch durch das Herumwerfen von Gegenständen. 

Von sehr großen Gegenständen.

Groß wie unsere Kleinlichkeit.

255. POMMES MIT BRATWURST

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 8. Mai 2023

Aus großer Entfernung schlagen uns schon die wundervollen Gerüche aus unserer Lieblingsimbissbude ins Gesicht. 

Unser Esslust regt sich, vor unserem geistigen Auge  taucht  ein Festessen mit sieben Gängen auf: Austern und Trüffeln, Perlhuhn, Hirschkalbrücken, Schwertfisch und Wildpastete …Träume des Wohlgeschmacks. Und vor allem: dazu Champagne.

Der Weg zu unserer Lieblingsimbissbude ist leider zu kurz. Kaum angekommen, bestellen wir, noch traumumfangen, schon Pommes mit Bratwurst und ein Bier.

Des Hungers wegen richten wir gleich eine starke Niederlage unter den Pommes, die daselbst ganz ahnungslos und herdenweise auf unserem Pappteller in der Ketchup treiben, an, verschonen aber die Bratwurst weitgehend.

Beim abschließenden Genuss des lauwarmen Bierchens, überlegen wir, ob wir uns  nicht zum Vertrauensarzt begeben sollten, um uns bescheinigen zu lassen, dass wir noch leben und wohlauf seien und sich unsere Krankenkasse keine Sorgen zu machen brauche.

254. DAS SCHWARZE HERZ EINER DUNKLEN SOMMERNACHT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 1. Mai 2023

Vorbei und verflossen ist der Tag. Eine rotgoldene Abendsonne geht hinter grauen und traurigen Wolkenfetzen unter.

Die Baumkronen singen ihr uraltes geheimnisvolles Lied; die Nachtigall, diese silberne Sängerin, lässt wie Perlen ihre Triller aus der reichgefüllten Gurgel fallen.

Der Nachtwind heult seine bange Melodie durch die zitternden Bäume.  Es ist das schwarze Herz einer dunklen Sommernacht.

Dies ist die Stunde des altbelgischen Biertrinkers, der sich mühsam seinen Weg von seiner Lieblingskneipe nach Hause bahnt.

253. ES WAR DER EIGENE WILLE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. April 2023

Es ist unser erster Zusammenstoß mit der Dorfsdönerbude.

War es die Stimme unseres Magens, die uns dorthin getrieben hat? Waren es die uns entgegenschlagenden wunderbare Gerüche? Wir meinen, es war der eigene Wille.

An der Theke führen wir mit dem Inhaber eine geheimnisvolle Besprechung, woraus die wunderliche Dönerkreation entstammt, die wir im Nachhinein mit einer für ihn verwirrender Herzlosigkeit selbst vertilgen.

Wir erklären ihm, wir leben, wie Mahlsteine. Versteht er aber nicht, sagt er. Wir denken aber, er will es nicht verstehen.

252. ANSPRINGENDE KONJUNKTUR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. April 2023

In unserem Weltkonzern stehen wir für den ultimativen Sprung auf den Zug der anspringenden Konjunktur bereit.

Geballte Kraft, immer auf ein Ziel gerichtet. Schon seit Jahrzehnten.

Dann kommt die Frühverrentung.

So ein Elend. Jetzt verpassen wir noch den Zug.

251. DIE STERNE AM HIMMEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. April 2023

„Sterben wollen wir – ja, aber leben und die Frau unseres Herzens in anderer Liebe wissen – nein“. Gewaltig und ernst sprechen wir diese Worte.

Schon stehen die Sterne am Himmel.

Es kommt immer darauf an, einen Gedanken im rechten Zeitpunkt vorzutragen.

Offensichtlich haben wir diesen Zeitpunkt verpasst, denn die Frau unseres Herzens ist missgestimmt, versteht keine Anspielung und gibt uns mit eindringlichen Fußtritten zu verstehen, wir sollen abhauen.

250. DAS ERSTE BIER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. April 2023

Das erste Bier trinken wir aus Gesundheitsrücksichten.

Das zweite auf unsere großen Pläne.

Das dritte  auf die Gesundheit unserer Ehefrauen und Schwiegermüttern.

Die Gründe für die folgende haben wir vergessen.

249. WIR WOLLEN NICHT OPFER DER UNENTSCHLOSSENHEIT SEIN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. März 2023

Es ist Samstagabend und wir sehen uns genötigt, die Dorfskneipe unter unsere Herrschaft zu nehmen.

Der faule Gastwirt wächst über sich selbst hinaus: was beim Hantieren am Bierzapfhahn jetzt herauskommt, steht im krassen Widerspruch zu seinen Jahrzehnte alten Erfahrungen.

Die sonst so müde Kellnerschar schiebt die Füße ganz schnell und balancierend vorwärts, wobei sie unter konvulsivisch angestrengten Windungen des Oberkörpers heldenhaft vom schwankenden, überfüllten Serviertablett versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Wir sind ohne Rast und Rücksicht tätig, als ob uns die Erschaffung der Welt auferlegt sei. Jetzt ist keine Zeit mehr für menschliche Regungen, denn wir wissen: diesen Abend wollen wir nicht Opfer der Unentschlossenheit sein.

248. DAS BRÜLLENDE GELÄCHTER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. März 2023

Als stellvertretende Unterabteilungsleiter für Reklame und Sonstiges geben wir an einem undeutlichen Abend  auf einer wilden After Work Party bekannt, uns in der Lage versetzt zu sehen, die Geschicke unseres Weltkonzerns lenken zu können. Und nicht nur zu können, auch zu wollen, verdeutlichen wir später am Abend noch.

Unser Ruf ist uns schon vorausgeeilt: als wir am nächsten Tag ins Büro eintreffen bildet sich sofort ein huldigender Kreis von Kollegen, Betriebsratsmitglieder und Putzfrauen um uns.

Das sonst so träge Weltkonzernbarometer ist plötzlich aus seinem Tiefschlaf erwacht, die Nadel steht auf Sturm und Regen. Aus schwarzem Gewölk schlägt rau und wild die Riesenhand des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich dazwischen: “Ab in die Rumpelkammer mit Euch, Sie Zirkusgesichter!”

Und schon sind wir weggefegt, als wären wir nie gestanden. In verächtlicher Weise werden wir kindisch und sagen, fortan nur große Dingen für den Weltkonzern vollbringen zu wollen. Unmöglich das brüllende Gelächter aus dem Büro des Gesamtspartenleiters für den nicht-operativen Bereich zu überhören…

247. UMGANG MIT DER MOUSE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. März 2023

Durch einen einzigartigen kombinierten Einsatz der bewährten Kommunikationsmedien Schreibblock/Bleistift und Telefon, schafften wir es als Vorstandvorsitzender über Jahrzehnten unser Persönlichkeitsprofil bei der Lenkung der weltwirtschaftlichen Geschicke unseres Konzerns außerordentlich scharf zu halten. Bis zum Tage, an dem als eine Begleiterscheinung der Globalisierung aufstrebende Jungmanager von allen Seiten ungefragt in unsere Einflusssphäre eintreten.

Wir entscheiden uns die Entwicklungsstufen Telefax und Handy zu überspringen und uns gleich das Internet zu Nutze machen zu wollen.

Beim Abendkurs an der Volkshochschule, wird aber – alleine schon durch den Umgang mit der Mouse – unser Nervensystems vollständig zerrüttet. Die dunklen Mächte der Zukunft haben gesiegt.

Wir halten uns künftig häufig in der umliegenden Kneipenlandschaft auf. Durch zahllose Freirunden Bier gelingt es uns zumindest hier immer den Vorsitz der gesamten Belegschaft an uns zu reißen.

246. SCHOKOLADE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. März 2023

Die Dame streift ihre Röcke hoch genug, dass wir uns überzeugen können: diese Beine erheben Anspruch zu Recht.

Wir sind Neugierig was wohl aus der Dame werden wird.

Bei der Schokolade in unserem Bett allerdings auch eine völlig unbekleidete Dame.

Denn die Röcke sind weg, verschwunden, wie später auch unsere Erinnerung.

245. Verdauungsschlaf

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Februar 2023

Vorstandsmitglied eines Weltkonzerns zu sein, wäre doch was.

Für uns, stellvertretender Unterabteilungsleiter für Reklame und Sonstiges, die sehr an uns selbst denken müssen, weil niemand anders dies tut, würde das genügen.

Aber nein, dieser Unmann von Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich muß sich wieder einmal ungefragt in die Weltgeschichte einmischen. Wir erhalten den Wink, unser Talent zum Vorstandsmitglied außerhalb unseres Weltkonzerns auszuleben.

Fortan liegen wir hinter unseren Schreibtischen, wie in ihren dunklen Schlammlöchern die regungslosen, trägen Körper riesenhafter Krokodile, die sich zu einem monatelangen Verdauungsschlaf zurückgezogen haben. Unsere schlechte Laune, welche wir durch ein blutrünstiges, schnarrendes Bellen kundgeben, versetzt den Werbeleiter mit vorläufiger Prokura in große Unruhe.

244. Weltentfremdung

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. Februar 2023

Dem Winzling von Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme bereitet es kein Vergnügen, sich mit uns über eine Gehaltserhöhung unterhalten zu müssen.

Wir sehen, daß er spürt, wie sein Achselschweiß rinnt, wenn unser unguter Blick ihn trifft. Sein Gesicht ist keines, den Umständen entsprechenden Ausdrucks, mehr fähig.

Und dann … plötzlich wirft er mit ungeheurer Gewalt die Brust in die Höhe und den Kopf hinüber bis in den Schultern, die er nach allen Seiten hinreckt und wendet sich – die Augen fast geschlossenen  – mit fester Stimme an uns: ” Über Eure Fähigkeiten und Schwächen zu streiten, hat in meinen Augen keinen Nutzen. Wo das Wissen so spärlich und unsicher ist, wird das Urteil leicht verschieden lauten und hat jeder das Recht seiner Meinung.”

Man sagt uns nach, daß sich seitdem eine Neigung zur Weltentfremdung uns zu bemächtigen begonnen hat.

243. Rechtzeitig

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. Februar 2023

Aus lauter Freude über eine riesige Erbschaft versterben wir.

Viel zu jung, wie der Pfarrer richtig sagt.

Aber offensichtlich doch rechtzeitig genug um bei einigen unserer Verwandten 4.Grades keine Trauer aufkommen zu lassen.

Während unserer Zeit im Fegefeuer denken wir andauernd über Zirkelbezüge nach und können es nicht umgehen, feststellen zu müssen, daß das Schicksal es mit uns nicht gut gemeint hat.

242. Des Lebens Urkraft

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. Februar 2023

Auf einer Freiluftbühne in unserem Geburtsort spielt eine Volksmusikantentruppe in voller Besetzung auf.

Aus ihrer Klangfülle braust und summt in den gewaltigen Akkorden des Lebens Urkraft und Unerschöpflichkeit.

Kammermusik spielen sie freilich nicht.

Der Himmel erbarmt sich uns, wenn plötzlich ein Orkan einsetzt und Donnerschläge erschallen, die uns das Herz aufrühren.

241. Das Bier in der Dorfskneipe

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. Januar 2023

Das Bier in der Dorfskneipe

schmeckt scheußlich.

Aber es ist beruhigend zu wissen:

es sind Unmengen davon vorhanden.

240. Überhängende Lebensbaumzweige

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. Januar 2023

Neuerdings werden wir von unserer Nachbarin mit einem  „Hallo, Herr Nachbar, entfernen Sie umgehend ihre überhängenden Lebensbaumzweige, sonst schicke ich Ihnen die Finanzbehörden auf den Hals!“ begrüßt.

Wir antworten: „ Es freut uns nicht zu sehen, daß die Welt von Tag zu Tag unzivilisierter wird, aber Sie erweisen uns doch mehr Unehre, als wir verdienen. Denn nach unserer nicht unmaßgeblichen Ansicht haben die Finanzbehörden aufgrund unserer nicht ausreichenden Einkünfte, nur geringe Aussichten, Ihrem Wunsch entsprechend, erfolgreich tätig werden zu können. Wir bitten sie daher eindringlich, ihre Anregungen als unhaltbar zu streichen.“

Darauf wird die Seele, die in der Hülle ihres robusten, wilden Körpers lebt, von Wut gepackt. Sie hält es nicht nur für erlaubt, sondern für verdienstvoll uns umzubringen. Lediglich die zivilrechtlichen Folgen halten sie davon ab. Wir sagen ihr noch: „Schade für unsere Erben.” Für einen Moment überließ sie sich schweigend unserer Betrachtung und ist dann plötzlich verschwunden. Wir haben sie nie wieder gesehen.

Uns wurde zugetragen, daß sie sich seit diesem Vorfall in die Einsiedelei zurückgezogen hat und sich der Geraniumzucht widmet; ab und zu soll sie auch Jazz-Standards vor sich hin summen.

239. Kohlenhändler

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. Januar 2023

New Economisterchen und Investment Bänkerchen fragen uns, wie es denn dem Kohlenhändler im Zeitalter der Globalisierung und der Telekommunikation so geht.

Schwärzer denn je färbt sich unsere Seele.

Durch die Mitteilung, daß wir beabsichtigen, die Merkmale ihrer dünnen Persönlichkeiten in einer 1-spaltigen und 1-zeiligen Excel-Tabelle zusammen zu fassen, schlagen wir ihnen den Knüppel der Erkenntnis, tief in die Schädel, daß sie taumeln. Da findet das Lachen prompt ein Ende.

Die Jüngelchen … jetzt liegen sie da: niedergestürzt von der höchsten Stufe irdischer Herrlichkeit. Noch nicht einmal  Ihr eigener ROI kann sie zum MBO aufmuntern.

238. Geistesabwesend

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. Januar 2023

Bei unserem Treffen mit dem Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme lenken wir das Gespräch auf das Thema “Gehaltserhöhung”. An dieser Stelle des Gespräches wirkt der Spartenleiter geistesabwesend.

Nach einer Weile fragt er: “Haben Sie eine Gehaltserhöhung denn auch verdient?”

Wir verneigen uns. “Vielleicht, Herr Spartenleiter, dürfen wir uns in Beispielen an das auch uns Rätselhafte herantasten?”, antworten wir in sanftmütigem Ton.

In der rotdurchglühten, stillen Luft hören wir seinen Atem gehen. Dann verläßt er seinen Sitz und beginnt im Raum auf und ab zu wandern. Ein innerer Sturm scheint ihn hoch zu jagen. Er setzt, zu einem weit ausholenden, pathetischen Redeschwall an. Als wir – unter Ankündigung eines erneuten Treffens morgenfrüh – sein Büro bereits verlassen haben, hören wir noch, wie er mit lauter, schwärmerischer Stimme vom Glück der Armen vor sich hin zu predigen beginnt.

237. Katarakt der Erinnerungen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. Januar 2023

Eine bekannte Gestalt tritt vor unser inneres Auge, wenn wir den alten, zerlesenen Geschäftsbericht wieder aufschlagen.

Unter dem Katarakt der Erinnerungen greifen unsere Gedanken nach einigen winzigen Tatsachen.

Wie zum Beispiel eine Reisekostenabrechnung für einen Hubschrauberflug nach Monaco mit anschließendem Treffen mit internationalen Gästen auf der örtlichen Formel 1-Rennbahn. Oder die Abrechnung von Restaurantkosten anläßlich eines Treffens in Saint-Tropez, wo es um Fragen der Weltwirtschaft ging.

Jaja, dieser alte Geschäftsführer… er war der Geschäftsführer, weil der Geschäftsführer er war. So war er und schien sich schon bei allem etwas gedacht zu haben.

236. Speck und Eier

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. Dezember 2022

Auf einer Ponyranchfete fühlen wir, wie die Mädchen brennen und uns anglühen.

Ein schwüler Moment in unserer Geschichte bahnt sich an; starke Impulsen des vom elementarsten Triebleben getragenen Daseins entfalten sich.

Mit apathischen Gesichtszügen, worauf sich Weltfremdheit ausdruckt versuchen wir das leuchtende Erwachen der Natur zu überspielen.

Aber zu spät. Da brechen die Mädchen und die Schwiegermütter schon in Jubelgesang aus. Kurz sind jetzt die sozialen Bekundungen, und einfach die Handlungen. Am nächsten Morgen sitzen wir bereits an irgendeinem schwiegermütterlichen Frühstückstisch und essen Speck und Eier.

235. Scheidestunde

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. Dezember 2022

In unserem bevorzugten Sonnenstudio begegnen wir eine reife Dame. Wir werden uns rasch gut und finden ein Wohlgefallen als zukünftige Schwiegermutter resp. Schwiegersohn an einander. Es finden des öfteren Treffen statt, nur die zukünftige Braut glänzt jedes Mal durch Abwesenheit. Wir sinnen  auf eine Zurechtweisung dieses nichtsnutzigen Weibchens, das sich so beharrlich unserem Familienglück zuwider stellt.

Eines Tages besuchen wir unsere auserwählte Schwiegermama und schenken ihr sehr betont rote Rosen. Sie ist entzückt.

Und dann plötzlich eröffnet sich die Tür vom Nebenzimmer und da steht sie, unsere künftige Verlobte: eine Mädchen von überraschender, blendender, überwältigender Schönheit, in träumerischen Sinnen verloren. Wir vergehen vor Schüchternheit und können nur murmelnd ausbringen, daß wir wiederkommen könnten, wann sie es will. Vor allem aber täglich. Wenn möglich natürlich.

Sie lacht uns an und sagt: „ Ich schenke Euch meine Hochachtung zur Gedächtnis dieser Scheidestunde. „  Sie verschwindet und läßt sich nie mehr blicken. Vergeblich versucht unsere liebe zukünftige Schwiegermama uns noch mit alten  Minnegesängen zu trösten, aber wir wissen jetzt: unglücklich ist nicht der gescheiterte Liebhaber, unglücklich ist nur der enttäuschte Idiot.

234. GELDBEDÜRFTIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12. Dezember 2022

Wir sind reiche Erben. Um es genauer zu fassen, wir waren reiche Erben. Das ist ein Unterscheid.

Sind wir etwa geldgierig? Nein doch, wir sind nur geldbedürftig, denn wir pflegen nicht auf kleinem Fuß zu leben.

Neuerdings spielen wir auch Lotto.

In unserem Tun und Handeln waltet schon eine innere Notwendigkeit.

233. Tröstende und aufmunternde Worte

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. Dezember 2022

In unserer Stammkneipe beginnt sich die Stimmung mächtig zu heben.

Wir überzeugen uns gegenseitig sehr heftig, daß wir ein uneingeschränktes Anrecht darauf haben, auf die Gesundheit unserer respektiven Ehefrauen zu trinken, damit diese in der Gegenwart von den vielen hübschen Mädchen nicht ganz in Vergessenheit geraten.

Bald ist es schon nicht mehr möglich die zahllosen anwesenden, hübschen Mädchen mit ihren tröstenden und aufmunternden Worten fernzuhalten.

Es treten Ereignisse ein. Jetzt komm es für uns darauf an, unsere Ehefrauen zu erklären, uns nur nach dem zu beurteilen, was wir nicht gewollt, nicht was wir getan haben.

232. Bierrechnungen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. November 2022

Ein Blick in die abgrundtiefe Leere unserer Geldbörse lernt uns, daß wir uns künftig mit Tätigkeiten auseinander zu setzen haben werden, die auf Arbeit hindeuten.

Für uns, die immer schöpferisch tätig waren, da wo Reines empfunden werden kann und wo uns keine Grimassen und Fratzen an dem Schönen hindern können, ist dies ein abschreckendes Unterfangen, wir werden das Gefühl des Lauerns in den Ecken nicht mehr los.

In unserer Lieblingsspelunke lassen wir keine Gelegenheit aus, lungenkräftig ernsthafte Einwendungen gegen unser Schicksal zu erheben.

Dabei finden wir viel Anteilnahme – außer bei dem Wirt, der jedes Mal versucht, das Gespräch auf offene Bierrechnungen zu lenken.

231. Morgendämmerung

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. November 2022

In unserer Stammkneipe versuchen unsere jungen Freunde uns davon zu überzeugen, daß sie völlig besoffen sind und ihnen übel sei.

Wir verstehen, unsere jungen Freunde wollen ihre schlummernde Sehnsucht nach zu Hause stillen.

Wir wollen unsere jungen Freunde aber nicht entbehren und bewachen sie sorgfältig, damit sie nicht fliehen.

Während wir die alten Heldenlieder singen und viele vorteilhafte Ratschläge erteilen, versuchen sie ihre steigende Entrüstung mit weiterem flüssigen Trost zu unterdrücken. Gemeinsam verbringen wir die Zeit bis zur Morgendämmerung voller schönen Stunden und geistiger Anregungen.

230. EIN PAAR LITER BIER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. November 2022

Ein paar Liter Bier des Tages zu trinken, gehört in unserem Geburtsort gar nicht zu den Beweisen unerhörter Unmäßigkeit.

Regelmäßig stellen wir unser anklagendes Gewissen als Zeugen gegen uns auf und finden uns nie in irgend etwas vor uns versündigt.

Unsere Gefühle sind echt, aus voller Seele gequollen.

Der feinfühlige Wirt aus unserer Stammkneipe sagt uns vertrauensvoll, es nicht umgehen zu können, uns die Richtigkeit unserer Ansichten bestätigen zu müssen.

229. VERDURSTEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. November 2022

Wir suchen aus dem Vertrauen, daß wir den drei vom feinfühligen Wirt unserer Stammkneipe uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Karaffen – Portwein, Zitronenjenever und Bordeaux – entgegenbringen, unseren angeborenen Trieb, dem Verdursten zu entrinnen, zu befriedigen, Nutzen zu schlagen.

Bei jeder Gelegenheit lassen wir die drei Karaffen in ordentlicher Regelmäßigkeit die Runde machen.

In uns vereinen sich bald urwillentliche Äußerungskräfte mit der gewaltigen Macht der Alkoholmoleküle.

Wir wissen, in unserem alten Geburtsort gibt es jetzt einen König. Er hat sich gefunden. Dieser König sind wir. Gerade heute haben wir soeben davon erfahren.

228. VON KARTOFFELN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 31. Oktober 2022

Es gibt ein wunderliches Festmahl.

Vorab: Kartoffelsuppe. Erstes Gericht: von Kartoffeln. Zweites Gericht: von Kartoffeln. Drittes Gericht: von Kartoffeln. Nachtisch: von Kartoffeln. Schnaps: von Kartoffeln.

Verschiedenen Gästen wird es unwohl.

Der Dorfarzt verabreicht ihnen eine Medizin von Kartoffeln, die günstig auf Magen und Darm wirkt.

227. DOPPELKINNE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 24. Oktober 2022

Samstagabend in unserer Stammkneipe: die Aldi-Unterwäsche überirdisch frisch und der Geldsack prall gefüllt, allenthalben um uns hübsche Blondinen.

Unsere Doppelkinne quellen in freundlicher Lebensbejahung aus, unsere breiten Wammen geben sich gravitätisch. Wir sehen aus, als hätten wir ein Ziel. Und Ohrringe haben wir auch schon. Alles in Ordnung.

Nachdem wir völlig unbefangen, einen tiefen Einblick in die vollbusigen inneren Angelegenheiten einer jenen Blondinen gewagt haben, fangen wir einige sehr unangenehme Fußtritte ein.

Seit diesem Erlebnis haben wir den Radius unseres Geistes ins Unendliche nach Raum und Zeit verlängert und philosophieren häufig darüber, wie die Blödheit in die Welt gekommen ist.

226. Gehorchen und Davonlaufen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 17. Oktober 2022

So wie wir darauf bestehen, unsere Schandtaten fortzusetzen, überlassen wir beharrlich weiter die Vergebung dafür einer allwissenden Vorsehung.

Wir sind erfahren im Gehorchen und Davonlaufen und hindern uns dabei nicht nur nicht, sondern helfen uns sogar ab und zu.

Eigentlich sind wir gute Menschen, verstehen es auch nicht besser.

Ora pro nobis: wir sind nur Namenlose, deren Tagebücher niemand fürchten muß.

225. DAHEIM

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 10. Oktober 2022

Mit 67 Minuten Verspätung speit die Regionalbahn unser vom Arbeiten erschöpftes  Rippen- und  Knochengewerk abends auf den Bahnhof unseres Heimatdorfes aus.

Daheim angekommen fällt aus finsterem Gewölk ein kaltes Licht auf uns: der Bewegungsmelder der Außenlaterne hat uns registriert.

Im Briefkasten finden wir einen Bescheid des Standesamtes, daß es uns als Junggeselle noch immer gibt.

Das ist so ein Tag, an dem die ununterbrochene Kette von Unglückseligkeit und Bedrückung, der jäher Wechsel von Drangsal und Schicksalsschlägen, einen wünschen läßt, andere Leute für sich essen, trinken, reden, leben zu lassen und einem nichts so erstrebenswert scheint, als eine Statue zu gleichen.

224. ZU UNRUHIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 3. Oktober 2022

Mitternacht in unserer Lieblingsspelunke.

Wir, die halbtoten Besoffenen, kommen wieder hervorgekrochen, die gänzlich Toten richten sich aber nicht weniger auf. 

Bei einem vorletzten Bierchen erklären wir dem Wirt, uns das Trinken abgewöhnen zu wollen. Des schlechten Biergeschmacks wegen.

Scheitern aber bereits nach dem dritten Bier. Zu unruhig ist unser Leben. Unmöglich das brüllende Gelächter des Wirtes zu überhören.

223. Dicke Hummeln

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 26. September 2022

Wir sind Söhnchen reicher Eltern und hängen oben, wie dicke Hummeln an einem Grashalm.

Wir sind so herrlich dumm.

Was müssen wir auch vom Leben verstehen?

Wir wollen nur Künstler in der Wollust des Vollrundlichens sein. Nicht mehr, nicht weniger.

222. Unsere Brieftasche

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 19. September 2022

Der Schreibtisch singt mit wollüstigem Grauen die Schauer von mehr als tausendjährigem Chaos in unseren finsteren Büroraum hinein, ein Blick in unsere Brieftasche dagegen wird mit dem Chorus eines abgrundtiefen, leeren Schmerzensrufes beantwortet.

Diese Mängel versuchen wir aus der Phantasie zu beseitigen und versüßen uns das Leben mit der Vorstellung, wir seien Vorstandvorsitzender unseres Ladens.

Abends können wir uns nicht erinnern, was am heutigen Arbeitstag geschehen ist.

Aber irgendwie muß er wohl zu Ende gegangen sein.

221. Wortlose, diskrete Verständigung

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 12. September 2022

Wir finden es wohltuend, uns mit Kollegen zu unterhalten, die schweigen können, ohne dabei verletzend zu sein, die es verstehen, auf uns einzugehen, in wortloser, diskreter Verständigung.

Aus diesem Reichtum schaffen wir bejahende Werte.

Und unsere Seele wird dabei reicher um schöne Ideen. Zum Beispiel, daß uns eine substantielle Gehaltserhöhung zusteht.

Leider gehört der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich nicht zu den Kollegen, die schweigen können. Denn, schon nach unseren ersten, rudimentären Andeutungen, tut er seine gehaltserhöhungsfeindliche Gesinnung durch ein barsches “Nein!” Kund.

220. GEHEIMNISVOLL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 5. September 2022

Er ist Gesamtspartenleiter  für den nicht-operativen Bereich eines Weltkonzerns.

Er spricht nur selten, dafür aber laut und hat eine geheimnisvolle Aufgabe.

Er steht meistens in seinem Büro rum, eine Teetasse in der Hand und die Gedanken bei den Tantiemen. Aus seinen verworrenen Überlegungen weckt ihn abends die zarte Berührung irgendeiner Putzfrauenhand.

Er hat es auch nicht leicht.

219. RETTUNGSPLAN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 29. August 2022

Wir möchten unser Unternehmen vor dem Untergang retten.

Schon vor 26 Jahren haben wir insgeheim den Entwurf eines umfassenden Rettungsplans in Angriff genommen.

Gerade wo unsere Bestrebungen im Begriff sind, den Plan zur Vollendung zu bringen, gibt die Geschäftsführung bekannt, zwecks Rettung des Unternehmens einen Kostensenkungsprogramm durchführen und uns in die Frührente schicken zu wollen.

Es gibt schon Zufälle: gerade letztere Maßnahme ist ein Bestandteil auch unseres Plans. Egal, unser Ziel haben wir erreicht.

218. Eintagsrevolutionäre

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. August 2022

Wir möchten den Arbeitsschmerz, der uns quält, erwürgen. Abends in unserer Stammkneipe sind wir immer fröhlich, wenn wir bei vollen Bechern sitzen. Bis tief in der Nacht währt unser lärmendes Gelage, wobei unsere Grundstimmung sich mächtig hebt.

Wir, die solange nur die anderen sprechen ließen, arbeiten jetzt allein mit der Faust. Am nächsten Morgen lagert der Zorn noch auf unseren derben Zügen. Auf der Arbeit angekommen, machen wir gleich Rabatz.

Da schreitet, wie gewohnt, der Vorgesetzter ein und sagt uns: „Ihr wagt mir Bedingungen zu setzen, mir, Euer Vorgesetzter?“ Drohend erhebt er die Hand. „Laß die Possen, Ihr Eintagsrevolutionäre. Vergißt Ihr eure Ohnmacht, so muß man euch dran mahnen. Ihr könnt euch hier doch nur halten, solange ich euch zu halten, bereit bin.“

Und schon fühlen wir, wie der Mut unserem zagen Herzen entrinnt. Mit voller Wucht ergreift der Arbeitsschmerz erneut Besitz von uns. Diesen Abend werden wir ihnen aber erneut erwürgen. Sicher wissen.

217. TROTTEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 15. August 2022

Oft versagt unser Gedächtnis, wenn wir einen Vorteil darin sehen, gedächtnislos zu sein.

Immer voller Zorn sind wir, äußern ihn aber nicht.

Wir können uns außerordentlich würdevoll beleidigt umdrehen.

Und wenn wir uns über unsere Unfähigkeit besonders ärgern, titulieren wir uns selbst als Trottel.

216. BÜROKLEIDERSCHRANK

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 8. August 2022

Der Winzling eines Spartenleiters für Personal und Sonstige Probleme erscheint noch kleiner als sonst, gleichsam geschrumpft, wenn wir das Gespräch auf das Thema Gehaltserhöhung lenken.

Lieber würde er in seinem Büro alleine herum sitzen und Reisekostenabrechnungen prüfen.

Unsere dumpfe Anhänglichkeit läßt ihn erschüttert vor dem Abgrund seines Schicksals, Entscheidungen treffen zu müssen, stehen.

Mit bewegten Gesichtszügen teilt er uns endlich mit, die Beantwortung unserer Frage glücklicheren Nachfolgern überlassen zu wollen, worauf er sich umgehend in seinem Bürokleiderschrank zurückzieht.

215. POMMES MIT MAYO

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 1. August 2022

In unserer Lieblingsimbissbude duftet es nach Pommes mit Mayo.

Oder ähnlich.

Das  allein gibt uns das Gefühl, bereits satt zu sein.

Wir würden die Stammgäste für Fresser halten, würde nicht auch unser Durst zum hinunterwürgen in gleichem Maße wie ihre Lust am Fressen von Minute zu Minute größer werden.

214. Glückliche ZUFÄLLE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. Juli 2022

Obwohl die glücklichen Zufälle nicht gerade die Besonderheit unseres Daseins sind, sind wir nur Belgier.

Wenigstens, soviel wir wissen.

Unser Appetit auf Gouda, extra alt und extra günstig bei Aldi erworben, bietet uns aber schon Anlaß zur Sorge.

In schlimmen Stunden quält uns der Gedanke, wir leben das Leben eines anderen.

213. SCHLUCHZEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. Juli 2022

Wir, Männer, werden für dumm gehalten.

Wie roh doch Frauen sind.

„Mutter“, schluchzen wir.

Und die Heulerei geht weiter. Wir heulen laut und verächtlich, unnahbar.

212. LENKRAD

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. Juli 2022

Wie üblich hat das Bier in unserer Stammkneipe die ganze Nacht wieder einmal freimutig die Runde gemacht. Alles was noch leben will, trägt Spuren verzweifelten Daseinskampfes und möchte endlich nach Hause. Die Aussicht, daß man sich einige, wer die Gewalt über das Lenkrad übernimmt, ist gering.

Eingehen auf alle einzelnen Behauptungen unserer Saufkumpane, die wir nicht für richtig halten, ersparen wir uns. Wer seinen eigenen Weg gehend, die Wege anderer für irrig hält, braucht nicht jeden Fehlschritt, den jene tun, besonders hervorzuheben. Natürlich übernehmen wir das Lenkrad.

Im dichten Nebel machen wir uns mit rasender Geschwindigkeit auf dem Heimweg. Die vorhin größten Redner und Ratgeber halten sich so lange versteckt, bis andere durch Gottes Hilfe Rat gefunden haben, da sie denn auch anfangen, den anderen Mitfahrenden weidlich Mut zuzusprechen, obgleich sie selbst vor Herzhaftigkeit so bleich wie Leichen sind.

Die Stimmung auf den hinteren Sitzen beginnt sich wieder zu heben, man benachrichtigt uns, daß wir die Gefahrenzone hinter uns haben. Wir haben aber nichts davon bemerkt – wohl des dichten Nebels wegen.

211. Begeisterte Liebeserklärungen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. Juli 2022

Wir, Intellektuelle, wollen uns verlieben und betäuben uns in einem Wirbel des Leichtsinns. Die Klarheit unseres Denkens wird schwankend und die Umrisse der gelehrsamkeitstriefenden Buchseiten verschwimmen.

Allabendlich begeben wir uns auf die Suche in die Dorfskneipe. Es gibt Erhitztheit, Getue und lebhaftes Hinundher. Wir singen lauthals das jubelnde Hohelied der Liebe. Aber die vollwertigen Vertreterinnen des erblühten Frauentums wollen sich uns nicht zeigen.

Und dann, auf dem Heimweg, niedergeschlagen nach einer erneuten ergebnislosen Kneipennacht, sehen wir sie auf der andere Straßenseite: Was für ein Mädchen! Ein prachtvolles Mädchen!Wir fühlen, wie wir im ganzen Körper raumvoller werden und empfinden eine Beziehung zwischen der Aufhellung in unserem Innern und dem monddurchblendeten Nachthimmel. Triumph und Jubel erzeugen eine Erhitzung in unserem Körper, der uns bis über den schon erste Zeichen von Kahlheit zeigenden Kopf in wollüstiger Wärme mit offenen Munde da stehen läßt. Wir verfallen in Gestammel begeisterter Liebeserklärungen und dann… plötzlich ist sie weg. Verschwunden.

Wir wissen jetzt, daß wir zu den Geschöpfen gehören, die es sich zur Regel machen, sich so unbrauchbar und dumm wie möglich anzustellen und verbringen den Rest unserer Tage in selbstgewählter Einsamkeit und mit dem ständigen bitteren Zug um den Mund.

210. WUNDERGLÄUBIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 27. Juni 2022

Lang genug hat der Spartenleiter für Personal und Sonstige Probleme sich von der Vorstellung leiten lassen, wir seien zur Gehaltserhöhung nicht befähigt.

Dieser Irrtum hat er heute wohl erkannt, seine Wirkungen jedoch noch immer nicht beseitigt.

Wir bedauern dies außerordentlich.

Nicht so sehr, weil wir daraus erkennen müßten, dass die Mühe, die wir uns gegeben haben, um die sachliche Unmöglichkeit seiner Vorstellung nachzuweisen, ihren Eindruck auf ihn verfehlt hat, sondern weil es uns peinlich wäre, uns mit dem Gedanken abzufinden, dass ein ausgezeichneter Analytiker, der sich noch vor einigen Tagen bei einigen Bierchen zuviel auf dem Betriebsfest über das prinzipielle Recht auf eine Gehaltserhöhung so meisterhaft überzeugend ausgelassen hat, gegenüber Forderungen und Tatsachen aus dem realen Dasein, so – wir können es nicht anders nennen – wundergläubig sein sollte.

209. LEBENSART

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 20. Juni 2022

Freitagabend in unserer Dorfskneipe.

Das Essen ist preisgünstig, dafür entsetzlich. Von den faulen Kellnern werden aus Flaschen Soßen auf verdorbene Speisen geschüttet, die darauf von uns mit unbewegter Miene verschlungen werden.

In durstigem Irrsein verschlingen wir hinterher Unmengen Bier. Und das, wobei dessen Geschmack nicht gerade anziehend ist.

Wir sind mutige Männer mit harter Leber und hoffen, dass unsere Lebensart vom lieben Gott würdig befunden wird, vor dem Schicksal bewahrt zu bleiben.

208. SCHÖNE LIEDER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 13. Juni 2022

Wir haben oft  soviel Freude, man kann sich uns nur gesellig denken.

Dennoch, wir haben eine ebenso gute Stimme, um schöne Lieder zu singen als zum Zanken.

Wir sind zornig und grausam, und nicht leicht zu besänftigen.

Unser Charakter ist unser Schicksal.

207. FÜRS GRUNDSÄTZLICHE GEBOREN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 6. Juni 2022

Wir stehen an Fleiß und Ausdauer in Bezug auf wirtschaftliche Unternehmungen den anderen nach.

Dagegen sind unsere moralischen Ansprüche an ihnen ungleich höher als ihrigen an uns.

Wir sind wohl eher fürs Grundsätzliche geboren.

Schon drängt man uns, in die Umweltpolitik zu gehen.

206. STIMME

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 30. Mai 2022

In einem Billardlokal in unserem Geburtsort  gibt es eine Art Konzert.

Eine Dame macht den Anfang mit einer Volksmusikantentruppe und ihrer Stimme.

Der Gesang gipfelt in ein bellendes Gebrüll und die knarrende und unharmonische Begleitung nimmt die Stelle melodischer und anmutiger Töne ein, die schmerzlich zu vermissen die Ohren allen Grund haben.

Unsere Nerven sind zum Zerreißen angespannt. Wir nehmen die Entscheidung noch in derselben Nacht nach Zaandam auszuwandern.

205. HEIRATSANGELEGENHEITEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 23. Mai 2022

Wir haben die Fähigkeit, einen Fisch aus dem Wasser zu schwätzen, es fehlt uns nur an Ideen.

Vor diesem Hintergrund, nehmen wir die schicksalsträchtige Entscheidung, Schriftsteller werden zu wollen. Unsere unbändige, zum Äußerten entschlossenen Gemütsart treibt uns in sämtliche Kneipen unseres Wohnortes, da wir hier am leichtesten einen geeigneten Stoff für unsere weltliterarische Ambitionen vorzufinden glauben.

Zu unserem Unglück werden wir eines Tages, nach einem lockeren Gedankenaustausch mit einigen Vertreterinnen des wilden Geschlechts, die sich wegen der Vollkraft des Wuchses ihrer üppigen Angelegenheiten bei der ländlichen Junggesellenbevölkerung einen sagenhaften Ruf erarbeitet haben, in Heiratsangelegenheiten verstrickt.

Da haben wir den Stoff, sogar bis ans Ende unserer Tage.

204. HUNDE SEID IHR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 16. Mai 2022

Riesige grauborstige Wolfshunde schießen mit wütendem Gebell herbei und scheinen ohne weiteres uns an die Gurgel springen zu wollen.

Im tiefsten Zorneszwang rufen wir noch: „Hunde seid Ihr. Abhauen und wir bieten euch volles Vergessen eurer Schuld und wollen euch milde Herrscher sein.

Zu spät.

Mit schwerkrachenden Sohlen entfernen wir uns eilfertig und machen es uns in unserer Dachstube mit Champagner gemütlich. Streunt ruhig weiter herrenlos herum, Ihr Scheißköter, das habt Ihr nun davon.

203. EHRLICHE ÜBERZEUGUNG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 9. Mai 2022

Wir sind der ehrlichen Überzeugung: “Lieber ein Bierchen zu viel, als einen Hagebuttentee zu wenig.”

Das bringt mit sich mit, dass es ebenso ungerecht wäre, zu behaupten wir seien ständig betrunken, wie es vermessen wäre, uns nüchtern zu nennen.

Der feinfühlige Wirt unserer Stamkneipe pflichtet uns bei und lobt unsere Schlußfolgerung als Virtuosenstück positiver Kneipendialektik.

Darauf trinken wir gemeinsam noch einmal ein Bierchen zu viel und einen Hagebuttentee zu wenig.

202. BEFREIENDES GEWITTER

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 2. Mai 2022

An einem trüben Herbsttag laden wir unseren zukünftigen Schwiegervater in unsere Junggesellenbude ein. Nachdem wir ihn ausreichend mit Zigarren und Himbeerlikör versorgt haben, ergreifen wir das Wort: „Lieber Herr, Noch-nicht-Schwiegervater, wir haben Grund, Sie zur hiesigen Veranstaltung einzuladen. Dieser Akt wird wie der erste Donnerschlag sein, der ein lang brütendes und befreiendes Gewitter entfesselt.“

Der Alte schweigt. Aber sein Mißtrauen schweigt nicht, denn er fährt fort, zu schweigen. Er mißt uns dabei mit kalten Blicken.

Wir fahren fort: „Wir sind gekommen, Sie zu retten und zu entführen aus dieser schwülen Luft, aus dieser Welt von Falschheit und Lüge. Sie sollen alles wissen, was niemand weiß, außer uns.“

„ Wir mögen Sie nicht. Aber nehmen Sie es, bitte, nicht persönlich.“

201. GEGENVORSCHLAG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 25. April 2022

In diesen schwierigen Zeiten haben wir erkannt, daß unsere Pflicht gebietet, dem Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich konstruktive Vorschläge zum Wohle unseres Weltkonzerns zu machen.

Wir bieten an, zwecks persönlicher Motivationssteigerung eine Gehaltserhöhung akzeptieren zu wollen.

Der Gesamtspartenleiter, offensichtlich von früher Kindheit an bösartigen Charakters, wobei er überdies wahrscheinlich noch einen schlechten Erzieher, von nicht geringer Verderbtheit als er selbst, gehabt hat, macht sich uns durch seinen unanständigen Gegenvorschlag –längere Arbeitszeit und gesteigerte Arbeitsleistung für weniger Geld- unangenehm bemerkbar.

Seine Tage sind gezählt, aber er weiß es noch nicht. Macht ist ohne Vernunft. Sie vollzieht sich, bis eine andere stärker wird. Wir haben viel Zeit, wir.

200. PECHSTREIFEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 18. April 2022

Wie gewohnt tut das fröhlich summende unterdimensionierte Dieselmotorchen unseres Untermittelklassendienstwägelchens sein Mögliches, uns zum nächsten neuen Kunden zu bringen.

Die verhängnisvolle Logik der Dinge liegt noch außer unserer Erfahrung. Sie kann übermächtig werden, wie das plötzlich einsetzende Jaulen uns zur Kenntnis gibt.

Auf dem Pechstreifen zeigt unser Dieselmotorchen, dass es nicht weiter Tragbalken unseres ROI’s sein will.

Dieses Geschehen trägt schon dunkel unsere Zukunft mitsamt unseren finanziellen Notständen in sich. Ein Zug von tiefer Resignation vor der steigenden Wahrscheinlichkeit dieses Jahr, keine ROI-bedingte Tantiemen zu beziehen, bahnt dem Gedanken an die Frührente vor.

199. ABSATZMITTELFRISTPROGNOSEKRISENGESPRÄCH

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. April 2022

Absatzmittelfristprognosekrisengespräch an irgendeinem undeutlichen winterlichen Mittwochfrühabend im bereits in tiefer  Finsternis gehüllten zweiten Obergeschoß in der Zentrale eines Weltkonzerns.

Im Dämmerschein einer einsamen und verlassenen, alten 25 W Deckenlampe begegnen sich im Besprechungsraum besorgte Blicke: der ROI ist im Absacken begriffen.

Der Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich weiß kaum wohin er seine rundliche Körperfülle zu erst drehen sollte, so wirbeln alle um ihn her. Verwegen Rat zu geben ist er sehr begierig, aber bei ereigneter Not ist er ohne Entschließung und Gedanken, er klagt nur und sucht sich zu verbergen. Er quält sich auszudenken, wie er diesen Abend überstehen wird. Eine tiefe seelische Ermüdung befällt ihn. Als plötzlich die Deckenlampe ihren mickrigen Geist aufgibt.

Als die ersten tastend ihren Weg aus dem finsteren Besprechungsraum  nach draußen finden, ist der  Gesamtspartenleiter für den nicht-operativen Bereich schon längst bei Tempo 200 mit dem Dienstwagen der abgehobenen Mittelklasse auf dem Heimweg. Und er denkt sich: So kann das nicht mehr weiter gehen; ab Morgen, werde ich mich selbst nur noch stellvertretend wahrnehmen.

198. FREIMUT

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. April 2022

– „Höre, was wir Euch warnend weissagen.“

– „Dieser Freimut ehrt Euch.“

– „Aber wir haben noch gar nichts warnend weisgesagt.“

– „Eben.“

197. GUTE LAUNE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. März 2022

WDR4 verbreitet wieder einmal mächtig gute Laune.

Wir fühlen, wie die letzte Kraft, die wir so dringend für den unerbärmlichen Kampf um unser Dasein brauchen, uns verläßt.

Da hilft es nur, in den getunten Golf einzusteigen und ein Stündchen Geisterfahren zu fahren auf dem Kirmesplatz in unserem Geburtsort.

Bis wir schließlich wieder unseren geistigen Raum über die gute Laune hinaus erweitert haben und zu neuen Kräften und Beweggründen des Handelns gelangen.

196. EMPFINDLICHE KÖRPERTEILE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. März 2022

In unserer Lieblingsspelunke bieten sich recht ungetrübte Einblicke in die Tiefen der üppigen Angelegenheiten der thekenhängenden blondinenartigen Vertreterinnen des wilden Geschlechts.

Wie wollen wir heraus bekommen, ob die verwirrenden Befunden unserer Beobachtungen ausreichend Anlaß für Gesprächsanbahnungen mit den betroffenen bieten?

Wir wenden dieser Frage unser heißes Bemühen zu und bitten würdevoll den Oberwirt diesbezüglich um ein vertrauliches Gespräch.

Nach Zielsetzung und Methode ein ziemlich schwankendes Unternehmen, wie sein aufbrüllendes Lachen und anschließend die eindringlichen Fußtritte der Blondinen in sämtlichen unserer äußerst empfindlichen Körperteilen uns lehren.

195. TRAURIG

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. März 2022

Wir haben so eine dunkle Vorahnung, dass unser aufwendiger Lebensstil uns irgendwann mal  veranlassen wird, uns in die Notwendigkeit versetzt zu sehen zu glauben, unsere Existenz durch Tätigkeiten die mit Arbeit zu tun haben, abzusichern.

An sich haben wir keine grundsätzlichen Einwände gegen den Fleiß als seelische Triebfeder des Handelns, wir wollen ihn aber nicht zum letzten Wertmaßstab machen.

Ruhe und Besonnenheit, diese anhänglichen und wortlosen Gefährten unserer Jugendzeit, sollen uns weiterhin auf unserem Lebensweg begleiten.

Dies alles stimmt uns nachdenklich und traurig. Igendwie fühlen wir uns jetzt schon für künftige Taten verdorben.

194. EINIGE GRÜNSCHNÄBEL

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. März 2022

Es ist ein mörderischer Tag.

In unserer Lieblingsspelunke, wo es wieder einmal vor Rührigkeit wimmelt und alles durcheinander rieselt, wie der Sand in einer sich drehenden Trommel, reicht der Oberwirt nicht mehr hin, die wilde Besucherschar im Zaum zu halten. Einige Grünschnäbel wollen gefährlich scheinen und brüllen, sie werden uns alle töten.

Da fühlen wir uns zu einer Herrenrolle in dem Treiben bestimmt. Wir brechen nicht sogleich los, sondern malmen eine Weile mit den Lippen, als müßten wir vor unserer Angriffsrede die Sprechwerkzeuge erst in Ordnung bringen. Unser Blick während dieser Pause liegt aber voll lauernder Drohung. Schließlich sagen wir: “wir sehen nicht die Notwendigkeit Eures Ansinnen ein.”

Die Grünschnäbel sind so geschmackvoll, nicht weiter darauf zu bestehen und stürzen entgeistert nach draußen. Uns ist zur Ohre gekommen, daß sie seit diesem Vorfall häufig in Seniorenheimen anzutreffen sind und dort ehrenamtlich geistliche Lieder vorsingen.

193. WUNDERBAR

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 28. Februar 2022

Wir sind reiche Erben und stehen einen großen Betrieb vor, der uns nicht sehr anstrengt.

Wir haben viel Verkehr mit Geschäftsfreunden, dazu eine hübsche und nette Ehefrau aus einem sehr wohlhabenden Haus.

Überdies leiden wir nicht an anspruchsvollen Passionen. Nur eine einzige Freundin haben wir. Wir lieben unsere Sittiche und Bonsais und präludieren gerne Kirchenlieder auf der Heimorgel.

Das Leben ist doch wunderbar, nicht wahr.

192. NASENRÄNDCHEN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 21. Februar 2022

Was für ein schönes Mädchen. Und wild wie ein Vogel.

Sie sagt, wir sollten sie mal besuchen.

Wir säuseln „Ja, wir sollten sie mal besuchen” und lachen rau auf.

Wir ärgern uns über unsere Stimme und werden ganz lila, nur das Nasenrändchen bleibt weiß.

191. VORURTEILE

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 14. Februar 2022

Als aufstrebende Volksmusikantentruppe versuchen wir durch zahllose Auftritte auf uns aufmerksam zu machen.

Das Nichterscheinen des Publikums ist jedoch jedes Mal keineswegs gering.

Wir denken: es sind die Vorurteile, weil man uns schon kennt.

Neuerdings haben wir entschieden, uns in Usbekistan zu versuchen. Wir hoffen, hier kennt man uns noch nicht.

190. ENERGIE DES LEBENS

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 7. Februar 2022

Als Frührentner sind wir gereift, ruhiger geworden, abgeklärt.

Die Lohnsklaverei war nur Vorbereitung zum Leben.

Wir werfen sie entschlossen hinter uns. Vor allem: fort mit der ewigen Rechtfertigerei. Wir verachten sie jetzt in moralischer Vollkraft. Wir raffen uns selbst. Welche Energie des Lebens.

Jetzt gilt es nur noch Lotto-Millionär zu werden.

189. DAS LEBEN WILL GELACHT SEIN

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 31. Januar 2022

Wir haben einen Wall von Heiterkeit um uns errichtet und wollen uns nicht daraus hervorlocken lassen.

Wir lachen wild und höhnerisch, jählings aufbrüllend; auf unserem Hinterkopf breitet sich ein Haarschopf struppig nach allen Seiten aus, ein dunkler Bart hängt von unserem Kinn.

Ab und zu entfalten wir eine ungeheure Geistestätigkeit, indem wir uns lachend darüber streiten, wen wir jetzt totschlagen sollen. Das endet immer damit, daß wir trotz mahnenden Worten von jedem einzelnen von uns, uns schließlich lachend gegenseitig tot zu schlagen beginnen.

Als wir alle elend daniederliegen, lachen wir: das Leben will gelacht sein, und je gefährlicher es ist, desto heiterer ist es.