218. Eintagsrevolutionäre

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 22. August 2022

Wir möchten den Arbeitsschmerz, der uns quält, erwürgen. Abends in unserer Stammkneipe sind wir immer fröhlich, wenn wir bei vollen Bechern sitzen. Bis tief in der Nacht währt unser lärmendes Gelage, wobei unsere Grundstimmung sich mächtig hebt.

Wir, die solange nur die anderen sprechen ließen, arbeiten jetzt allein mit der Faust. Am nächsten Morgen lagert der Zorn noch auf unseren derben Zügen. Auf der Arbeit angekommen, machen wir gleich Rabatz.

Da schreitet, wie gewohnt, der Vorgesetzter ein und sagt uns: „Ihr wagt mir Bedingungen zu setzen, mir, Euer Vorgesetzter?“ Drohend erhebt er die Hand. „Laß die Possen, Ihr Eintagsrevolutionäre. Vergißt Ihr eure Ohnmacht, so muß man euch dran mahnen. Ihr könnt euch hier doch nur halten, solange ich euch zu halten, bereit bin.“

Und schon fühlen wir, wie der Mut unserem zagen Herzen entrinnt. Mit voller Wucht ergreift der Arbeitsschmerz erneut Besitz von uns. Diesen Abend werden wir ihnen aber erneut erwürgen. Sicher wissen.

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Carolus Borromeus

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