212. LENKRAD

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 11. Juli 2022

Wie üblich hat das Bier in unserer Stammkneipe die ganze Nacht wieder einmal freimutig die Runde gemacht. Alles was noch leben will, trägt Spuren verzweifelten Daseinskampfes und möchte endlich nach Hause. Die Aussicht, daß man sich einige, wer die Gewalt über das Lenkrad übernimmt, ist gering.

Eingehen auf alle einzelnen Behauptungen unserer Saufkumpane, die wir nicht für richtig halten, ersparen wir uns. Wer seinen eigenen Weg gehend, die Wege anderer für irrig hält, braucht nicht jeden Fehlschritt, den jene tun, besonders hervorzuheben. Natürlich übernehmen wir das Lenkrad.

Im dichten Nebel machen wir uns mit rasender Geschwindigkeit auf dem Heimweg. Die vorhin größten Redner und Ratgeber halten sich so lange versteckt, bis andere durch Gottes Hilfe Rat gefunden haben, da sie denn auch anfangen, den anderen Mitfahrenden weidlich Mut zuzusprechen, obgleich sie selbst vor Herzhaftigkeit so bleich wie Leichen sind.

Die Stimmung auf den hinteren Sitzen beginnt sich wieder zu heben, man benachrichtigt uns, daß wir die Gefahrenzone hinter uns haben. Wir haben aber nichts davon bemerkt – wohl des dichten Nebels wegen.

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Carolus Borromeus

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