211. Begeisterte Liebeserklärungen

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von Carolus Borromeus in “Unweisheiten aus der Provinz”

Montag, den 4. Juli 2022

Wir, Intellektuelle, wollen uns verlieben und betäuben uns in einem Wirbel des Leichtsinns. Die Klarheit unseres Denkens wird schwankend und die Umrisse der gelehrsamkeitstriefenden Buchseiten verschwimmen.

Allabendlich begeben wir uns auf die Suche in die Dorfskneipe. Es gibt Erhitztheit, Getue und lebhaftes Hinundher. Wir singen lauthals das jubelnde Hohelied der Liebe. Aber die vollwertigen Vertreterinnen des erblühten Frauentums wollen sich uns nicht zeigen.

Und dann, auf dem Heimweg, niedergeschlagen nach einer erneuten ergebnislosen Kneipennacht, sehen wir sie auf der andere Straßenseite: Was für ein Mädchen! Ein prachtvolles Mädchen!Wir fühlen, wie wir im ganzen Körper raumvoller werden und empfinden eine Beziehung zwischen der Aufhellung in unserem Innern und dem monddurchblendeten Nachthimmel. Triumph und Jubel erzeugen eine Erhitzung in unserem Körper, der uns bis über den schon erste Zeichen von Kahlheit zeigenden Kopf in wollüstiger Wärme mit offenen Munde da stehen läßt. Wir verfallen in Gestammel begeisterter Liebeserklärungen und dann… plötzlich ist sie weg. Verschwunden.

Wir wissen jetzt, daß wir zu den Geschöpfen gehören, die es sich zur Regel machen, sich so unbrauchbar und dumm wie möglich anzustellen und verbringen den Rest unserer Tage in selbstgewählter Einsamkeit und mit dem ständigen bitteren Zug um den Mund.

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Carolus Borromeus

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